Samstag, 25. Mai 2013

9. Beitrag - Die Reformation war erst der Anfang


Mit einer Tat spaltete ein Mann eine ganze Kirche, wenn auch eher unbeabsichtigt. Kaum ein Ereignis wirkte sich so stark auf unsere Geschichte aus, wie die Reformation. Die Kirche sah sich immer wieder Veränderungen unterworfen. Verschiedene Reformbewegungen erfassten das christliche Europa, keine war dabei so durchdringend, wie die Tat des Martin Luther. Für das Bistum Merseburg bedeutete es de facto eine Auflösung der kirchlichen Herrschaftsgewalt.

Die vielen Kirchen bestanden dennoch weiterhin und die Kirchendiener mussten ebenso weiterhin versorgt werden. Wollte die neue Bewegung ihre Anhänger dauerhaft binden, so mussten die Pfarrer gute Arbeit leisten. Diese hatten natürlich eine höhere Motivation ihren Beruf auszuüben, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Das beinhaltete damals bereits Einkommen, ein Dach über den Kopf und regelmäßige Mahlzeiten. Dafür notwendig war allerdings erst einmal eine Bestandaufnahme vor Ort.

Allgemeinhin werden das 15. und 16. Jahrhundert als phasenweiser Übergang des Mittelalters zu der Neuzeit gesehen. Die mittelalterliche Welt war keinesfalls statisch. Von einem „dunklen Mittelalter“ kann nicht die Rede sein. Die Geschichte zeigt immer wieder, dass Entwicklungen Zeit brauchen. 1492 kam es zu den Entdeckungsfahrten des Kolumbus und der Wiederentdeckung der „Neuen Welt“. 1517 ist das Jahr des Thesenanschlags Luthers. Keine zehn Jahre später erschütterte der Deutsche Bauernkrieg das Reich. Man kann sich denken, dass solche Ereignisse sich tief in das Bewusstsein der Gesellschaft einbrannten und die Menschen verunsicherten.

Der Glauben war noch da im Merseburger Land, nur eben nicht immer besonders stark. Man musste eine Lösung finden um Missständnisse aufzudecken und diese effektiv zu beheben.

Den Anfang bildete eine Kirchenvisitation.

Übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet „visitare“ so viel wie „besuchen“. In diesem Fall sollte man aber eher von aufsuchen oder Kontrollbesuchen sprechen. Das Gebiet des ehemaligen Hochstifts Merseburg war dabei in drei Ämter unterteilt. Die Dreiteilung hatte einen einfachen Grund: Die Schlösser in Bad Lauchstädt und Lützen mussten ebenso versorgt werden, wie der eigentliche Sitz in Merseburg.

Wie lief solch eine Kirchenvisitation ab?

Eine kleine Gruppe von Geistlichen reiste von Ort zu Ort. Es wurde anschließend ein Bericht verfasst über die Einwohner selbst, die Geistlichen vor Ort und dem Inventar der Kirche sowie über den Ortsansässigen Grundherr, falls es einen gab.

Es gab viele kuriose Begebenheiten und natürlich werden alle Ereignisse nach und nach vorgestellt.

Samstag, 18. Mai 2013

8. Beitrag - Ein Käfig voller Raben


Hat die Stadt Merseburg ein hausgemachtes Imageproblem? Die Rede ist heute vom Merseburger Raben. Viel wurde über ihn geschrieben. Sehen kann man ihn, Pardon, die Raben im Merseburger Schlosshof. Bei den Einwohnern der Stadt selbst ist die Geschichte wohlbekannt, aber für alle, die nicht wissen was es mit dem legendären Raben auf sich hat, möchte ich einen kleinen Einblick geben. Aus diesem Grund möchte ich Walter Saal in Auszügen zitieren, der die Geschichte des Raben niederschrieb:

„In der Zeit des Übergangs vom 15. zum 16. Jahrhundert lebte in Merseburg an der Saale ein Bischof namens Thilo von Trotha. Das war ein gar jähzorniger Herr, zumal wenn ihm eine Widerwärtigkeit die gute Laune verdorben hatte. - Das geschah aber auch einstmals auf der Jagd [...]
Nun besaß der Bischof einen goldenen Siegelring, der ihm als Geschenk seines Freundes, des Bischofs von Naumburg, besonders wert und teuer war und den er in einem besonderen Kästchen aufzubewahren pflegte. [...]“

Am Morgen vor der Jagd vergaß der Bischof allerdings das Kästchen abzuschließen. Und dabei stand es ausgerechnet am offenen Fenster. Es geschah, was geschehen musste. Am Abend war der Ring verschwunden. Sein greiser Diener wurde sofort verdächtigt und trotz aller Unschuldsbeteuerungen eingesperrt. Ein Jäger namens Ulrich hatte mit dem Diener Johannes noch eine Rechnung offen, so dass er einem Raben die Worte „Hans-Dieb“ beibrachte. Das Verhängnis nahm seinen Lauf:

„[...] Als der Rabe nun auf einmal diese Worte im Schloßhof plärrte, glaubte jeder des abergläubischen Volkes, daß hier Gottes Stimme sprach, auch der Bischof selbst. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde der alte Diener Johannes nach dem strengen Gesetz der damaligen Zeit zum Tod durch das Schwert verurteilt. [...]“

Viele Jahre später, nach einem heftigen Sturm, musste das Dach eines der Türme repariert werden. Unter den abgedeckten Schindeln kam ein Rabennest zum Vorschein. In diesem befand sich der „gestohlene“ Ring.

„[...] Auch ließ er vor dem Schlosse einen Käfig aufstellen, in den der Rabe gebracht wurde und der noch heute darin zu sehen ist und auch weiterhin zum ewigen Gedächtnis zu sehen sein wird, damit nie wieder im Jähzorn ein falsches Urteil gefällt wird. [...]“ 




Aus diesem Grund sollen uns die Raben noch heute mahnen. Haben die Raben diesen schlechten Ruf verdient? Mitnichten! Die Familie der Raben und Krähen zählt zu den intelligentesten Spezies überhaupt. Werkzeuge „bauen“ und nutzen sind dabei nicht einmal ihre außergewöhnlichsten Fähigkeiten. Sie können kleine Stöcke benutzen, um besser an ihr Futter zu gelangen. Zudem sind sie in der Lage Drahtstücke so zu verbiegen, dass sie damit nach ihrem Futter „angeln“ können.
Sie erkennen also selbstständig Probleme und wissen, wie sie diese zu lösen haben.

Sollten Sie etwas Zeit haben, schauen Sie sich bitte das Video über Krähen auf der folgenden Seite an (Link). Sie werden erstaunt sein!

In unserem Kulturkreis steht der Rabe für viele schlechte Eigenschaften. Sie alle kennen Begriffe wie „Unglücksrabe“, „Rabeneltern“ oder „rabenschwarzer Tag“. In der griechischen Antike galt der Rabe als Schwätzer. Deshalb tauschte die Göttin Athene ihn gegen eine Eule aus. Auch durften sie nicht in der Nähe von Gebärenden sein, da diese dann eine schwere Geburt vor sich hätten. Wegen seiner Stimme sei er ein Unglücksbote. Im Christentum ist der Rabe negativ behaftet und steht für den unwilligen Ungetauften. Er kündige Krankheit, Krieg und Tod an, immerhin drei der Apokalyptischen Reiter!
Der Rabe gilt als fehlerhaft, diebisch und der „düsteren“ Seite der Psyche nahe.

Der Rabe muss rehabilitiert werden! Bei den Wikingern galten die Raben Hugin und Munin als Odins Begleiter, die ihn über alle Vorgänge in der Welt unterrichteten. In christlichen Heiligengeschichten tritt er als Beschützer auf, in China war ein dreibeiniger mit der Sonne gleichgesetzt. Bei vielen indianischen Stämmen besaß der Rabe zwar einige negative Eigenschaften, die positiven Eigenschaften überwiegen aber. So war der Rabe in einigen Mythen an der Erschaffung der Welt beteiligt.


In ganz Deutschland gibt es Sagen und Märchen, bei denen der Rabe negativ belegt ist. Es scheint aber ein zwiespältiges Verhältnis zu sein. Das Gute und das Schlechte bleiben im Gleichgewicht. Früher sah man Raben und Krähen als verwandelte Hexen an, heute begeistert der Kleine Rabe Socke unsere Jüngsten und hilft ihnen beim Lernen. Wir Menschen wissen selbst nicht, wie wir diesen Vogel einschätzen müssen. Oder vielleicht doch?

Vielleicht ist es gerade diese „Grauzone“, die Raben und Krähen so interessant für uns machen.



Weiterführende Informationen

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/intelligenz-kraehen-erkennen-versteckte-ursachen-a-856345.html


Quellen

Biedermann - Knaurs Lexikon der Symbole

Saal - Sagen aus der Region Merseburg

Mythen der Menschheit - Die Macht des Totems

Samstag, 11. Mai 2013

7. Beitrag - Was bedeutet der Begriff Merseburger Land?


Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn es gab und gibt für diesen Begriff keinen historischen Hintergrund. Was also nimmt man als Grundlage?

Wir haben verschiedene Möglichkeiten diese verzwackte Situation aufzulösen. Der zentrale Blick wird natürlich auf die Stadt selbst gerichtet. Das Umland muss ebenso dazu gerechnet werden. Für die Stadt war das bis in das 16. Jahrhundert existierende Bistum essenziell wichtig, daher dürfen wir dieses Gebiet ebenso wenig ausschließen. Die Grenzen des Bistums unterlagen im Lauf der Geschichte Schwankungen.

Nach der ersten Auflösung des Bistums 981 änderten sich die Grenzen dramatisch, da das Bistum de facto nicht mehr existierte. Die Neugründung im Jahr 1004 brachte viele Probleme mit sich. Zwar gab es jetzt wieder ein festes Bistumsgebiet, allerdings gaben die Bistümer, welche ehemals von der Auflösung profitiert hatten, ihre                                                               Gebiete nur widerwillig wieder her.
Das Merseburger Bistum um 1300.
Nach der zweiten Auflösung im 16. Jahrhundert änderte sich die Verwaltungsstruktur und damit die Grenzen erneut. Nun aber müsste der Blick eigentlich wieder starr auf die Stadt gerichtet werden. Dörfer und Städte, die ehemals dem Bistum zugehörig waren, existierten aber weiterhin.

Vor knapp 90 Jahren existierte bereits ein ähnliches Projekt zur Erforschung unserer Heimat: „Das Merseburger Land - Zeitschrift des Vereins für Heimatkunde in Merseburg“. Die Geschichte stand dabei stets im Mittelpunkt, jedoch gab es viele unterschiedliche Ansätze in der Betrachtung dieser. Viele Autoren haben es geschafft mit sehr vielen unterschiedlichen Themen zu der Erforschung unserer Heimat beizutragen.

Wie sahen die Autoren den Begriff des Merseburger Landes damals? Auch sie kannten anscheinend keine eindeutige Antwort, denn immer wieder rücken Themen in den Mittelpunkt, die nur indirekt etwas mit Stadt und Bistum Merseburg gemein haben.  

Man sollte heute viel weiter, also in größeren Maßstäben, denken. Der Blick richtet sich deshalb auf alle geschichtlichen Ereignisse, die mit dem Bistum, der Stadt, dem Umland und allen zugehörigen Orten zu tun hatten. 

Was wir also brauchen ist keine eindeutige Antwort, sondern Interesse an einer lebendigen Geschichte. Denn diese stand und steht nie für sich allein, sondern immer in einer Wechselbeziehung zu den Ereignissen, die in der Welt geschahen.

Quellen:

Heftreihe „Das Merseburger Land“

Heftreihe „Unser Merseburger Land“

Walter Schlesinger: Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter

Samstag, 4. Mai 2013

6. Beitrag - Der Denkmalhof - Geschichte bis 1946




Der heutige Beitrag handelt von der Geschichte einer Immobilie in der Halleschen Straße in Merseburg. Besser bekannt ist das Grundstück unter dem Namen „Denkmalhof“. Dieser ist ein schönes Beispiel für die Wandlungsfähigkeit eines Ortes, die bis heute längst noch nicht abgeschlossen ist.

Im Mai 1882 legte Theodor Groke den Grundstein und gründete seine Firma „Theodor Groke Maschinenfabrik Merseburg“. Er erlangte einen guten Ruf weltweit, da die Qualität, der dort gefertigten Spezialmaschinen für den Abbau von Ton, auszeichnet war. Nach und nach konnte er neue Absatzmärkte erschließen.

Knapp 31 Jahre später, am 13. Dezember 1913, waren die Umsätze vielversprechend. Für eine weitere Expansion war es notwendig, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Auf diese Weise sollten neue Investoren gefunden werden, um die eigene Stellung am Markt weiter zu festigen.

„Theodor Groke Aktiengesellschaft Merseburg; Spezialmaschinenfabrik für Ziegelei-, Schamotte-,  Zerkleinerungs- und keramische Industrie“, so lautete der neue Name für Grokes Firma. Im Vordergrund stand also nicht mehr der Abbau von Ton, denn es wurde bereits expandiert. Der Erfolg seiner Spezialmaschinen hielt weiter an.

Düster wurde es allerdings in den Jahren 1938/39. Es bahnte sich ein schleichendes Ende an. Ein Konkurrent erschien auf der Bildfläche. Dabei handelte es sich um die Firma „Berger&Co. Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Spezialmaschinenfabrik für die Tonindustrie“. Ursprünglich aus Bergisch-Gladbach stammend, wollte sich „Berger&Co.“ erweitern. Aus diesem Grund kauften sie die Aktien der Firma Groke, so dass sie am Ende nahezu 90% aller Aktien besaßen.

Am 1. Oktober 1939 war es dann soweit. Die Bergisch-Gladbacher pachteten die Merseburger Spezialmaschinenfabrik und wandelten sie so in eine Zweigstelle ihres eigenen Unternehmens um. Natürlich wieder unter einem eigenen Namen: „Berger Maschinenfabrik GmbH Groke Werk Merseburg“. Genau 7 Jahre bestand die Firma noch, bevor am 1. Oktober 1946 endgültig Schluss war.

Gegründet wurde die Firma Groke im Deutschen Kaiserreich. Sie überstand den Ersten Weltkrieg und die schwierige Nachkriegszeit. Die großen Wirtschaftskrisen der Weimarer Zeit sorgten vielleicht für Unsicherheit und Absatzeinbrüche, aber auch das überstanden sie. Das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg kamen und vergingen. Ihr Ende fand die ehemalige Firma „Theodor Groke Maschinenfabrik Merseburg“ schließlich durch Enteignung.


Quellen

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Merseburg. I 559