Samstag, 26. Oktober 2013

31. Beitrag - Gedenkjahre, Bischof Wynither

Bistum und Bischof sind in der Geschichte Merseburgs eng miteinander verwoben. Kaum ein Aspekt des geistlichen und weltlichen Lebens entging einem Bischof. Die Anforderungen an solch einer erwählten Person waren dabei enorm. Er sollte die Reichtümer des Bistums mehren, gleichzeitig aber bescheiden bleiben. Er sollte weltliche Politik betreiben, während er die Oberaufsicht über die religiösen Belange hatte. Seine Handlungen konnten ein Bistum zu Reichtum und Ehre führen. Oder zu Armut und Schande. Wichtig dabei bleibt aber immer eines: Jede Generation urteilt anders, jeder Mensch hat einen eigenen Blickwinkel auf die Geschichte.

Das Merseburger Bistum war seit Gründung und Wiederherstellung schon immer ein sehr kleines Bistum. Es hatte nur geringe Chancen sich zu vergrößern, sei es durch Schenkungen oder Kauf. Vielleicht war es gerade die Kleinheit des Bistums, was Bischof Wynither davon abhielt ein strebenswerter Bischof zu sein. Zumindest wenn man der Merseburger Bischofschronik folgt, denn der Chronist lässt kein gutes Haar an ihm. Heute wollen wir seiner Spur folgen. Nicht viel ist über ihn bekannt. Sein Vorgänger Woffo hatte bis zu seinem Tod am 15. April 1062 das Amt inne. Wynither folgte ihm auf den Bischofsstuhl,  jedoch ist nicht genau bekannt wann. Aus der Chronik geht hervor, dass das Amt lange Zeit verwaist war. Überhaupt ist die Chronik sehr widersprüchlich, was den Zeitpunkt des Wirkens des Bischofs angeht:

„Er hatte sich nämlich vorgenommen [...] nur den dritten Teil des Jahres im Amte zu leben, die beiden anderen Drittel aber auf seinen Erbgütern dem Vergnügen zu widmen.“

Unweigerlich muss man sich fragen, woher der Chronist dies so genau wusste. Tatsächlich erscheint solch eine Aussage recht seriös zu sein, doch laut Angabe der Chronik wird Wynither als Bischof nur für das Jahr 1063 aufgeführt. Er starb sogar in jenem Jahr bereits am 24. März. Lange Zeit für Verfehlungen kann er also nicht gehabt haben, zumal der Bischofsstuhl anscheinend doch recht lang „vereinsamt war“, wie es heißt. Und tatsächlich, bereits 6 Wochen nach seiner Einsetzung fand er den Tod. Für den Chronisten wurde Wynither als Fluch empfunden, kein Wort des Lobes kam über seine Lippen, geschweige denn zu Papier.

„Er wurde also unserer Kirche gegeben, betrieb aber nicht das Amt eines Hirten, sondern lebte in der Eitelkeit des Fleisches zügellos dahin.“

Und weshalb blieb er eigentlich dem Amt so fern?

„Denn er verachtete die kleinen Verhältnisse unseres Bistums, sowohl die Geistlichen wie die Dienstleute“

Seine Abneigung könnte allerdings auch auf Gegenseitigkeit beruht haben, immerhin wissen wir nichts darüber, was die Geistlichen und die Dienstleute über ihn dachten. Und wir erfahren ebenso wenig etwas über die Vorgeschichte der handelnden Akteure, also ob bestimmte Familien vielleicht in Konkurrenz zueinander standen.

Was also gibt es noch über ihn zu sagen?

„Durch solche und andere Dinge, die zu sagen Sünde sind oder anmaßend sein könnte, verstrickt, stürzte er, wie ein Pferd in den Zügeln, dahin in den Abgrund und in die Grube des Verderbens, das er hätte voraussehen können, aber zu vermeiden zu lässig war.“

Den Zorn des Heiligen Laurentius und die Rache Gottes beschwor er mit seinem Verhalten herauf, daran ließ auch der Chronist keinen Zweifel! Doch selbst im Tode war er noch unangenehm, hinterließ er der Kirche lediglich ein Halsband von sehr großem Wert.

Der Bau des Bischofs Tebartz-van Elst, der viele Millionen Euro verschlingt, sollte man daher vielleicht im historischen Zusammenhang sehen. Traditionell entsprangen die Bischöfe dem Adel, welcher meist über viel Geld und Ländereien verfügte. Daher war es natürlich, dass man seine neue Wohnstätte dementsprechend großzügig gestalten wollte. Die Geschichte ist voll von solchen Bischöfen, aber vielleicht ist auch das einfach nur die Tradition, die solch ein Amt mit sich bringen kann.

Quelle:

Rademacher, Otto: Die Merseburger Bischofschronik

Interessant:

http://www.n-tv.de/panorama/So-leben-die-deutschen-Bischoefe-article11555661.html

Samstag, 19. Oktober 2013

30. Beitrag - "Adieu, braves Saxons!"

„Friedlich liegt die ansehnliche Handelsstadt in der Ebene. Die engen Straßen der mittelalterlichen Stadt sind umgeben von einem Kranz blühender Anlagen, dahinter die Kiesflächen, welche dem großen Meßplatz unvermeidlich sind, und darüber hinaus die breiten Straßen und stattlichen Häuser des modernen Anbaues, welche sich fast nach allen Richtungen weit in die Ebene strecken.“

Dieser Tage kommt man kaum umhin nicht von den Veranstaltung zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig zu hören. 200 Jahre ist es nun her, dass Napoleons Armee und die seiner Verbündeten bei der sächsischen Metropole geschlagen wurden. 100 Jahre ist es her, dass das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht wurde. Über 100.000 Soldaten wurden an diesen Tagen verwundet oder getötet. Für viele Zeitgenossen musste es traumatisch sein, in solch einen Kampf zu geraten. Wir wissen es selbst, welche Wunden solch ein Krieg hinterlassen kann. Zeitzeugen des Gräuels des Zweiten Weltkrieges können uns noch immer von den Schrecken berichten.

Im Jahr 1867 erschien in Leipzig das Buch „Leipzig seit 100 Jahren“. Der Autor
Dr. Emil Kneschke berichtet darin in einen Abstand von gut einem halben Jahrhundert von dem, was sich 1813 in Leipzig zutrug.

„[...] aber seit dem Abend des 4. Mai [...] hatte Leipzig unausgesetzt französische Besatzung bis zu dem Mittag des schreckenvollen 19. Octobers.“ Die Franzosen benahmen sich zumindest in der Stadt rücksichtvoll, auch wenn er anderes von dem Umland berichtet. So sollen sie geplündert haben und es war ihnen auch egal, wenn dabei etwas zerstört wurde. Das 4. Armee Korps, welches durch Leipzig die Elbe hinauf zog, bestand aus ca. 30.000 Soldaten, weniger ältere Veteranen, sondern vielmehr „Jünglinge mit dem ersten Flaum um das Kinn“ zogen aus. Bald füllte sich das Land um Leipzig herum mit Lazaretten, viele Verwundete von dem nahen Lützen wurden hierher gebracht. Die Ärzte der Stadt zogen aus, bepackt mit medizinischen Vorräten und Lebensmitteln, um den Kriegsversehrten zu helfen. Es war ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn Krankheiten und Seuchen breiteten sich aus.

„In der Stadt herrschte schreckliches Gewühl“, vor den Tagen der Schlacht. So viele Menschen gleichzeitig, sah Leipzig noch nie zuvor. Versorgungswagen, Truppen und Artillerie verstopften die Straßen. Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären auf der Leipziger Buchmesse. Sicherlich kennen Sie das Gedränge.

„Da es an Brennmaterial mangelte, so wurde, was sich nur irgend verbrennen ließ, zur Unterhaltung der Wachtfeuer herbeigeschleppt und dabei kein Eigentum geschont.“ Es war kalt und regnerisch, müde und erschöpfte Truppenverbände taugten nicht zum Kampf.

Als die Schlacht dann die Tage volle Fahrt aufnahm, erkannten die Menschen den wahren Ausmaß des Schreckens: „Schaarenweise strömten die verstümmelten Menschen nach der Stadt, am Thore nach einem Hospitalbillet wimmernd, daß ihnen auch ohne weitere Scrupel gereicht ward, obgleich alle Spitäler längst überfüllt waren.“  Tag für Tag rückten die Kämpfe näher an die Stadt heran. Innerhalb der Stadt versammelten Napoleon und der sächsische König bereits die Truppen. Mehrmals wurde versucht Leipzig zu stürmen. Den Franzosen, allen voran Napoleon gelang die Flucht durch das Ranstädter Tor. Doch der Franzosenkaiser soll bis kurz vor seinem Aufbruch dem sächsischen König den Respekt erwiesen haben. Laut Kneschke waren seine letzten Worte gegenüber Friedrich August:

„Ich wollte Sie nicht eher verlassen, als bis der Feind in die Stadt wäre, denn ich war Ihnen schuldig, meine Ergebenheit zu beweisen. Ich sehe Besorgnisse um meine Person und will nicht länger bleiben. Ich sage Ihnen hiermit Lebewohl. Was immer geschehe, Frankreich wird die Schuld der Freundschaft zahlen, welche es mir gegen Sie zur Pflicht macht.“

Er bestieg sein Pferd und ein letzter Gruß gen Leipzig gerichtet lautete:

„Adieu, braves Saxons!“

Und die Begleichung seiner Schuld? Naja, immerhin kam er nicht wieder. Zumindest er selbst, denn dieser Tage prangte das Porträt des „kleinen“ Generals übermenschlich groß auf den Werbeplakaten der Stadt.
Das Bild soll Napoleons Flucht aus Leipzig zeigen.
Das zu Beginn entnommene Zitat leitet das Buch von Dr. Emil Kneschke ein. Es entstammte einem Artikel des Leipziger Tageblattes. Man sollte meinen, dass dieser Frieden teuer erkauft worden war und das man damit doch durchaus zufrieden hätte sein können. Der Krieg allerdings sollte wieder nach Leipzig zurückkehren. Hoffentlich zum letzten Mal für ganz Europa.

Quelle:

Emil Kneschke: Leipzig seit 100 Jahren.

Das Bild entstammt dem Internetauftritt des Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher.

Sonntag, 13. Oktober 2013

29. Beitrag - Schloss Seeburg


Der süße See. Über ihm erhebt sich Schloss Seeburg. Es war das Zuhause einer der bedeutendsten Adelsfamilien unserer Heimat, der gleichnamigen Familie von Seeburg. Erzbischof Wichmann war es, der nicht nur das Erzbistum Magdeburg erweiterte, sondern ebenso das kleine Bistum Merseburg nicht aus den Augen verlor. Es im Blick zu behalten war allerdings nicht einfach. Bedenkt man seine Pflichten und all die anderen Verwaltungsaufgaben, kann einem schnell schwindlig werden. Als Erzbischof oblag es ihm die anfallenden Glaubensfragen zu klären. Dabei war die weltliche Korrespondenz ebenso aufwendig. Nun war Magdeburg im 12. Jahrhundert im Begriff zu wachsen. Die Bevölkerung wuchs und mit ihr der Handel.

Es ist aufregend zu sehen, wie eine Bürgergemeinde so ein Selbstbewusstsein entwickelt, dass diese sich selbst zur Stadt erhob und dies alles ohne eine Beurkundung! Heutzutage mag es sich vielleicht banal anhören, zu Zeiten Wichmanns aber war es eine große Sache. Und es war durchaus gefährlich! Erwischten sich beide Parteien auf dem falschen Fuß, so waren Konflikte in Reichweite. So waren die Erzbischöfe die eigentlichen politischen Entscheider. Eine selbstbewusste Bevölkerung aber möchte früher oder später am politischen Geschehen teilnehmen. Nun hieß es klug zu handeln! Und er tat es. Mit seinen Handlungen unterstützte er die städtische Selbstverwaltung. Schließlich bekam Magdeburg eine Urkunde ausgestellt, die es endgültig zur Stadt erhob. Wichmann jedenfalls galt als einer der weisesten Köpfe seiner Zeit. Er versuchte stets zwischen verschiedenen Konfliktparteien zu vermitteln, wie zwischen König Friedrich Barbarossa und Herzog Heinrich den Löwen von Sachsen. Nun war Heinrich nicht leicht in Zaum zu halten und brach oft zu Streitigkeiten auf. Das hielt Wichmann aber nicht ab Gewalt anzuwenden, wenn seine diplomatischen Bemühungen scheiterten. Die Stadt Haldensleben, gehörig zu dem Herzog, erfuhr es am eigenen Leib. Unnachgiebig verteidigten die Bürger ihre Stadt, doch da zeigte der Erzbischof seine militärischen Fähigkeiten. Er ließ einen nahen Fluss stauen, so dass das Wasser nicht mehr abfließen konnte und die Stadt überschwemmte.

Sein eigentliches Lebenswerk und Talent lag dagegen auf einem anderen Gebiet. Ostsiedlung, Ostkolonisation oder auch Landesausbau, die Geschichtsforschung fand viele Begriffe für das, was unter ihm zur vollen Blühte gelangte. Er war es, der als erster Herrscher die notwendigen Vorgänge miteinander verknüpfte, so dass neue Ansiedlungen in großer Anzahl entstehen konnten. Dafür schickte er Lokatoren genannte Siedlungsunternehmer aus. Diese warben Bauern und andere Menschen in den bevölkerungsreichen Gebieten des Reiches an. Sie sollten neues Land östlich von Saale und Elbe urbar machen. Im Gegenzug erhielten die neuen Bewohner Steuerfreiheit und die Lokatoren den neu gegründeten Ort als Erblehen.

Den Stammsitz seiner Familie kann man noch heute besichtigen. Das Schloss beherbergt aber keine adlige Familie mehr, sondern ein Standesamt, eine Gaststätte, Wohnhäuser und ein ehemaliges Hotel, welches zu Verkauf steht. Sicherlich gab es im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen am Schloss und der Umgebung, dennoch kann man mit ein wenig Fantasie die ehemalige Pracht erahnen. Es ist schade, dass der gesamte Komplex heutzutage so heruntergekommen wirkt. Vielleicht aber findet sich noch ein Käufer, der den alten Glanz wiederherstellt.

Eigene Publikation zu Wichmann:

Amazon.de 
Grin.de 

Samstag, 5. Oktober 2013

28. Beitrag - 7 Kaiser auf einen Streich ! - Teil VII


Otto von Bismarck
Für die Franzosen war es ein Schock. Ihr mühevoll aufgebautes Kaiserreich und ihre stolze Armee, all das innerhalb weniger Wochen zerschlagen. Noch größer war jedoch die Schmach, als der Preußenkönig Wilhelm im Spiegelsaal von Versailles zum ersten deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Deutschland war zum ersten Mal geeint. Für diese Einigung brauchte es jedoch 3 Kriege und ein Oberhaupt, dass etwas bleibendes schaffen wollte. Damit ist jetzt jedoch nicht Wilhelm I. gemeint, sondern der neue Reichskanzler Bismarck. Er war es, der die deutschen Fürstentümer in die Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich führte. Aber warum ausgerechnet ein Preuße auf dem deutschen Thron? Wie reagierte der zweite größere König im Reich, als der König von Bayern auf so einen offensichtlichen Affront?
Wilhelm I.
Er stimmte zu. Warum auch nicht, schließlich konnte Bismarck den Bayernkönig Ludwig II. finanziell ruhigstellen. Der Lebensstil des Bayern verschlang ein ziemliches Vermögen und damit er sich diesen weiterhin leisten konnte, kam er dem Reichskanzler entgegen und gab diesem seine Zustimmung. Es war vollbracht, die Einheit Deutschlands zum ersten Mal vollzogen. Dabei sah die Zukunft des Reiches längst nicht so rosig aus. Nur mit Widerwillen akzeptierte Wilhelm I. die Kaiserkrone, eigentlich wollte er sie nicht. Reichskanzler Bismarck nahm dagegen bereits sein nächstes Ziel ins Visier. Sein neugeschaffenes Reich sollte Bestand haben, aber neuer Ärger stand ihm schon vor seiner Tür. Die vier bisherigen Großmächte England, Frankreich, Russland und Österreich beäugten Deutschland misstrauisch. Nach den drei Kriegen hatten sie immerhin allen Grund dazu.
Ludwig II.
Frankreich sah sich im Nationalstolz gekränkt. Elsaß-Lothringen mussten sie an die Deutschen abgeben, ihre Armee geschlagen, der Kaiser in Haft und Reparationszahlungen in Höhe von 5 Milliarden Goldfranc. Es war eine ungeheuerlich große Zahlung. Für die Franzosen war die Sache noch nicht ausgestanden.

England zeigte zwar Interesse an der Einigung, dennoch war es ihnen im Prinzip egal. Solange die Deutschen ihre Interessen nicht störten, war es der britischen Krone ziemlich egal.

Russland wartete vorsichtig ab. Bismarck schaffte es einige Jahre lang das Zarenreich als verbündeten an sich zu binden. Dennoch war der Zar nicht immer begeistert von dieser „Freundschaft“. Sie selbst sahen sich dabei natürlich als Anführer und Deutschland in der Rolle des Juniorpartners. Das russische Kaiserhaus wollte einen zuverlässigen Verbündeten, ob es sich dabei um ein anderes Kaiserhaus oder eine Republik handelte, war ihnen egal.

Österreich erlitt zwar 1866 eine erhebliche Niederlage, kriegerisch wie politisch, dennoch suchten sie den Anschluss. Warum auch streiten? Die Interessensgebiete der zwei Kaiserreiche überschnitten sich nicht, sondern ergänzten sich eher.

Gerade in den ersten Jahren erschwerten Krisen die politische Bühne Bismarcks, denn er war es, der der eigentliche Regent war. Der Reichskanzler rang nach Oberwasser im Kulturkampf, erst gegen die Katholiken, Jahre später mit ihnen. Außenpolitisch versuchte er in der „Krieg-in-Sicht“-Krise (Klick mich!) Frankreich zu isolieren, schoss sich damit aber ein Eigentor. Russland erwies sich stets als sehr unzuverlässig, demütigten doch die russischen Diplomaten ihre deutschen Kollegen. Selbst ein Bündnis mit dem Zaren änderte nicht die allgemeine Lage, denn Russland wollte das Sagen haben. Und dann waren da ja noch die Sozialdemokraten, ein Verbot später sägte er damit langfristig gesehen nur an seinem eigenem Stuhl. Immerhin sorgte er für die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung (1883) und der gesetzlichen Unfallversicherung (1884).
Ferdinand III.
1888 sollte zum ersten Schicksalsjahr für das Kaiserreich werden. Ein Jahr, drei Kaiser. Wilhelm I. starb im März. Sein Sohn Ferdinand III. folgte ihm auf den Thron, für 99 Tage sollte er der Regent sein. Sein Sohn Wilhelm II. übernahm und führte das Reich. Er war es, der dafür sorgte, dass Bismarck aus dem Amt gehoben wurde. Ähnlich wie Russland oder Österreich war auch Deutschland ein politisches Pulverfass. Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus, Militarismus, Antisemitismus, Kapitalismus - Sie sehen schon, die Vielfalt der Meinungen schien keine Grenzen gesetzt zu sein. Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers und dem Kriegseintritt des Reiches bündelte es sich anscheinend in einer Richtung: Für den Kaiser, für Deutschland! Dieser sogenannte „Turmfrieden“ war jedoch trügerisch.
Wilhelm II.
Die Erwartung Frankreich im Westen und Russland im Osten schnell zu besiegen sollte sich nicht erfüllen. An der französischen Front rieben sich die Armeen in Grabenkämpfen auf. Nicht ganz so festgefahren war die Situation im Osten, die Front war ständig in Bewegung. 1917 wurde unter größter Geheimhaltung Lenin und andere Bolschewiki nach Russland per Zug verfrachtet. Ihnen gelang es den Krieg zwar zu beenden, allerdings mussten sie dem deutschen Reich zum „Dank“ große Zugeständnisse machen. All das nützte der Führung nichts mehr. Die Soldaten waren ebenso wie der Nachschub erschöpft. Später sollte die „Dolchstoßlegende“ die Runde machen, bei der das Kaiserreich angeblich im Felde unbesiegt geblieben war und nur von hinten, also aus den eigenen Reihen, „erdolcht“ wurde. Doch diese Lüge kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie anfällig und marode das politische System war.
Verantwortungslosigkeit und Maßlosigkeit ließen Europa in Flammen aufgehen, längst nicht so verheerend wie unter den Nationalsozilisten, dennoch war Europa anfälliger denn je für Spannungen aller Art. Die Schuld am Krieg trugen viele, die Ereignisse die zu diesem führten waren sehr komplex. Das wir heute als ein Europa zusammenstehen, mussten und müssen wir noch immer lernen. Nie zuvor in der Geschichte herrschte solange Frieden im Zentrum Europas. Gerade die enge Partnerschaft die Deutschland und seine Nachbarn heute pflegen, ist Europas Trumpf. Man kann aus der Geschichte lernen, wenn man offen für die Lektionen ist. Trotz aller Krisen, die wir heute haben, war Europa noch nie so erfolgreich, dank eines jeden Einzelnen.


Weiterführende Literatur:

Ullrich, Volker: Die nervöse Großmacht 1871-1918 

Jäger, Oliver: Die Krisenjahre 1874-1875. Die so genannte "Krieg-in-Sicht"-Krise, ein Beispiel für die Drohpolitik Bismarcks