Samstag, 26. April 2014

58. Beitrag - Gedenkjahre, Bischof Heinrich V.

Über die Grafen von Stolberg, welche weitreichende Besitzungen im Harz besaßen, gibt es zwei besonders Interessante Fakten. Zunächst einmal wurden einige der Söhne zu Bischöfen in Merseburg gewählt. Ihre Familie war gut begütert und genoss im Domkapitel ein hohes Ansehen. Zugegebenermaßen traf dies auch auf weitere Familien zu, doch alle Bischöfe des Hauses hießen Heinrich. Ebenso natürlich Heinrich V. von Stolberg, welcher den Bischofsstuhl von 1384 bis 1394 innehatte. Er war Propst der Kirche und wurde einstimmig vom Kapitel gewählt. Eine Bestätigung in seinem Amt erhielt er von Papst Urban VI. allerdings nie, denn dieser wollte seinen eigenen Schützling unterbringen. Dagegen wehrte sich das gesamte Domkapitel, mit unangenehmen Folgen.

Um Rückendeckung zu erhalten, zog Heinrich zu Karl IV., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Die Adligen des Bistums sowie Familie und Freunde aus dem Harz standen ihm bei. Jedoch war Heinrich dadurch in einer Zwickmühle gefangen. Von den Meißener Markgrafen, welche unmittelbar in der Nähe Merseburgs saßen, ging für das Bistum die größte Gefahr aus. Sie standen dem Kaiser nicht wohlgesonnen gegenüber. Solange der Markgraf Wilhelm, genannt der ältere bzw. der Einäugige, an der Macht war, verteidigte er die Bischöfe. Die meißnische Verwandtschaft jedoch dachte nicht daran und unterstützte den päpstlichen Favoriten: Andreas von Duba.

„Denn der genannte Andreas von Duba [...] pflegte in der Stadt Eilenburg, die unsern Grenzen nahe liegt, eine Schar Räuber zu versammeln. Diese plünderten und taten den Bewohnern des Gebiets und Bezirks unserer Kirche sehr viel Schaden.“

Was so einfach klingt, war jedoch alles andere als einfach für das Bistum. Überfälle, Plünderungen, Brandschatzungen, Mord, Totschlag und andere Grausamkeiten machten den Menschen ihr Leben schwer. Laut der Bischofschronik ließ Heinrich im August 1386 ein Gegenheer versammeln und die Stadt Eilenburg bei Nacht angreifen, ausrauben und niederbrennen. Gerechtigkeit sieht anders aus. Doch wen wollen wir als Schuldigen ausmachen? Bischof Heinrich war Schuld an der Tragödie der Stadt Eilenburg, Andreas von Duba dafür an der Tragödie des Bistums. Hinzu kommen die Unterstützer, die sich ebenso mitschuldig gemacht haben. Der Papst war ebenso Schuld, immerhin erkannte er nicht den Kandidaten des Domkapitels an und dieses nicht die Autorität des Papstes.

Bischof Heinrich war geschickt darin, die Angelegenheiten des Bistums zu verwalten. Er wird als tüchtig und streng beschrieben. Dies nutzte ihm sicherlich auch bei seinen finanzpolitischen Geschäften mit dem Magdeburger Erzbischof Albert. Heinrich verkaufte und verpfändete, während er gleichzeitig Geld verlieh und dadurch zukünftige Einnahmen sicherte. Seine Anerkennung als Bischof erhielt er jedoch erst nach dem Tode Urbans VI. Dessen Nachfolger Bonifazius IX. akzeptierte die Einsetzung in das Amt schließlich.

Quellen:

Rademacher, Otto: Die Merseburger Bischofschronik  

Samstag, 19. April 2014

57. Beitrag - So Gott will

Die Geschichte von Krankheit und Heilung ist, nun man könnte sagen, sehr zwiespältig. Ursprünglich fassten die Menschen Krankheiten als göttergegeben auf. Doch was heißt schon ursprünglich? Wir haben keine schriftlichen Zeugnisse über die Grundsatzfragen von Krankheiten zu Beginn der Menschheitsgeschichte. Mit dem Einsetzen der Schrift wurden früheste Methoden für uns greifbar.  Die ersten für uns Europäer wichtigen Schriften entstammen der griechischen Antike. So wissen wir, dass die Menschen Krankheiten auf die Launen der Götter zurückzuführen versuchten. Man war noch weit von den Erkenntnissen der Mikrobiologie entfernt. Krankheiten waren etwas unnatürliches. Oft brachen sie über einen herein und es gab nichts, was man gegen sie unternehmen konnte. Das größte Problem dabei war, dass die Menschen die Krankheiten nicht verstanden. Wir müssen uns einfach anschauen, wie Tiere sich verhalten, wenn es ihnen schlecht geht. Sie verstehen in diesem Fall ihren Zustand nicht wirklich.

Doch wie kam man davon ab? Es war das Alte Griechenland, in dem der Fortschritt seinen Lauf nahm. Sie waren zwar nicht die älteste europäische Hochkultur, aber ihr Wissensdrang war enorm. Alles begann auf der Insel Kos mit verschiedenen Ärztefamilien, den Namen der berühmtesten kennen wir noch heute: Hippokrates. Dabei handelte es sich keineswegs um nur eine Person, sondern um mehrere Generationen des gleichen Namens. Auf Kos etablierten sich neben ihnen noch weitere Familien des gleichen Berufsstandes. Den Namen Hippokrates kennen wir deshalb so genau, weil er als Begründer der Lehre von Diagnose und wissenschaftlichem Ansatz gilt. Die wichtigste Erkenntnis dieser frühen medizinischen Forschung war, dass die Götter einen nicht straften. Man war gewissermaßen unschuldig an seinem Zustand. Immerhin der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung. Doch der Weg bis zur heutigen Schulmedizin war noch weit entfernt.

Als die Römer die Vorherrschaft im Mittelmeerraum antraten, sollte man meinen, dass die Medizin einen neuen Höhepunkt erreichen sollte. Weit gefehlt, denn Krankheiten zeigte man nicht in Rom. Warum eigentlich? Vielleicht konnten wahre Römer nicht krank werden, stammten sie doch von den Göttern ab. Es war eine schöne Vorstellung, doch Viren und Bakterien scherten sich nicht darum. Erst unter Julius Caesar änderte sich dieser Zustand, indem er ausländischen Ärzten,  die sich in Rom niederließen, dass römische Bürgerrecht verlieh. Doch dauerte es noch einmal fast 200 Jahre, bis sich der Berufsstand des Arztes vollends etablieren konnte. Zu verdanken war es unter anderem dem Fachwissen und der Redekunst des Galen von Pergamon. Er war es auch, der der Medizin eine neue Erkenntnis beisteuerte: Körper und Seele bilden eine Einheit und beides muss behandelt werden! Sein Werk und die Schule des Hippokrates bildeten die Grundlage der mittelalterlichen Medizin.

Das Mittelalter stellen wir uns gern dreckig vor. Heerscharen ungewaschener, verlauster und mit anderen Parasiten verpesteter, dummer Menschen. Im Prinzip passt dieses Bild. Und es ist grundsätzlich falsch. Nördlich der Alpen, auf dem heutigen Gebiet der Bundesrepublik trafen mehrere medizinische Strömungen zusammen. Antikes Wissen, Klosterheilkunde, orientalische Medizin, die jüdische Fachkenntnis der Hygiene und und und. Hinzu kommen verschiedene Volksweisheiten von germanischen und slavischen Stämmen. Doch auch der Gottesglaube spielte eine große Rolle, vielleicht sogar die Hauptrolle. Heilige, deren Körperteile, Kleidung oder Accessoires sollten eine heilsame Wirkung besitzen, man musste nur etwas von ihnen berühren. Prävention zu betreiben hat seinen Ursprung übrigens ebenso in dieser Zeit, wer nicht krank werden wollte, sollte sein Leben nach göttlich gebotener Vorstellung führen. Zur Unterstützung der Heilung vertraute man zudem auf verschiedene Kräuter und Mixturen. Selbst Kannibalismus war nicht unüblich,  immerhin gehörten Mumien zum Repertoire der Apotheker. Medizin war, genauer betrachtet, zum Glücksspiel geworden. Es gab keine Gewährleistung auf Heilung, sondern nur die allumfassende Weisheit: So Gott will.

Dieser Beitrag war natürlich nur ein kleiner Teil der Geschichte der Krankheit. Was heute zu kurz gekommen ist, wird an anderer Stelle noch ausführlicher behandelt werden. All die menschlichen Vorstellungen zusammen zu führen ist mühsam, aber spannend.

Quelle und sehr zu empfehlen:

Zeitschrift Karfunkel Codex Nr. 11, 2013 - Von Aderlass bis Zipperlein

Sonntag, 13. April 2014

56. Beitrag - Der Naumburger Dom - Teil I



Die Geschichte von Naumburg ist eng mit der von Merseburg verbunden. Selbst die Ersterwähnung des Ortes erfolgte zu Beginn des 11. Jahrhunderts in der Merseburger Bischofschronik. Die Burg war Sitz des Markgrafengeschlechts der Ekkehardinger. Wichtige Handelsstraßen kamen hier zusammen, ebenso wie die beiden Flüsse Saale und Unstrut. Ursprünglich befand sich der Bischofssitz in Zeitz, doch Naumburg, knapp 30km weiter westlich, lag wesentlich ruhiger und bot den Bischöfen mehr Schutz. Der Dom ist den Aposteln Peter und Paul geweiht. Darüber hinaus ist die Stadt vor allem für einen besonderen Künstler bekannt, dem Naumburger Meister. Einen Namen kann ich Ihnen leider nicht bieten, denn dieser wurde nicht überliefert.

Bei dem heutigen Beitrag möchte ich mehr für das Auge bieten und wünsche deshalb viel Spaß beim Betrachten der Videos. Der Besuch des Domes lohnt sich in jedem Fall.

Zunächst einmal werfen wir einen Blick in die Krypta.


Und damit wir anschließend etwas frische Luft schnappen können, folgt nun ein Blick in den wunderschönen Garten des Domes.


weiterführende Informationen:

http://www.naumburger-dom.de/

Montag, 7. April 2014

55. Beitrag - Größenwahn im Mittelalter?

Das große Stichwort des Tages heißt Lokator. Mit diesem Begriff bezeichnet man eine Berufsgruppe, wie wir sie heutzutage nicht mehr kennen. Bei den Lokatoren handelte es sich um Siedlungsunternehmer. Es waren Mittelsmänner zwischen den Landesfürsten, die den Ausbau vorantreiben wollten und den Bauern, welche das Land besiedeln sollten.

Wichmann, Erzbischof von Magdeburg, war nicht der erste Landesfürst, der auf die Dienste eines Lokators zurückgriff. Dafür war er der Erste, der dies professionell und im großen Stil betrieb. Der Vorgang an und für sich ist recht einfach zu beschreiben. Man erwählte eine Person, die man für fähig erachtete und stattete diese mit Geld und Baumaterialien aus. Zunächst einmal zog der Lokator in ein Gebiet mit Überbevölkerung. Bauern, Handwerker und andere Freiwillige wurden angeheuert. Man versprach ihnen eigenes Land und Steuerfreiheit auf mehrere Jahre. Im Gegenzug musste das neue Gebiet urbar gemacht werden. Anschließend zog der Tross dorthin, wo der Auftraggeber ihn haben wollte. Dies konnte wilde Ländereien umfassen, aber auch bereits vorhandene, meist slavische, Siedlungen. Der Lokator selbst bekam als Belohnung Sonderrechte eingeräumt. Er wurde Dorfvorsteher und seinen Besitz erhielt er als Erbgut. Für die Fürsten, aus dessen Gebiete die Siedler stammten, ergaben sich ebenso Vorteile. Die Überbevölkerung wurde sanft verwischt. Man konnte Bündnisse stärken und Sonderrechte in den neu erschlossenen Gebieten erhalten.

Das Angebot, was die neuen Siedler östlich der Elbe erwartete, war extrem verlockend und sie kamen zahlreich. Zwar musste das Land erst urbar gemacht und bebaut werden, dennoch konnten die Bauern nun ihre Familien ernähren. Reisende Kaufleute erschlossen neue Absatzmärkte und auch Handwerker wurden benötigt.  Unter ihnen waren Flandern, Schwaben, Franken, Westfalen und Niederländer. Die Siedler brachten ihre Bräuche und Fähigkeiten mit. Zudem ist es uns heute noch gut möglich, auch ohne Urkundengrundlage, die Herkunft einzelner Gruppen festzustellen. Man muss nur wissen worauf es ankommt. Sicherlich kennen Sie Orte die auf -hain, -rode, oder -wald enden. Diese sind aus Rodungsgebieten entstanden. Ebenso vertraut sind Ortschaften mit einem -dorf am Ende, wie Günthersdorf oder Witzschersdorf. Diese stammen von einer Namensableitung, also dem Dorf des Gunther oder dem Dorf des Wigbert. Doch solch einfache Erklärungen sind mit Vorsicht zu genießen, denn dort wo uns eine schriftliche Grundlage fehlt, muss man den ursprünglichen Namen erraten. Und dieser könnte ganz anders gelautet haben.

Der Vorteil, den Erzbischof Wichmann besaß war ein ganz erheblicher, denn sein Erzbistum grenzte an nahezu unerschlossenes Land. Indem er neue Siedlungen initiierte, konnte er das geltende Magdeburger Recht in die neuen Gebiete bringen. Dabei handelte es sich aber keineswegs um ein standardisiertes und niedergeschriebenes Regelwerk, sondern vielmehr um die geltenden Rechte in Magdeburg selbst. Im Fall einer Streitigkeit konnte dann auf dieses Recht verwiesen werden, um eine Verhandlung schnell durchzuführen. Gewissermaßen machte das die neuen Siedler abhängig von dem Erzbischof, denn immer wenn eine Besonderheit auftrat, schickte man Boten nach Magdeburg, um diese abzuklären, damit ein Urteil gefällt werden konnte. Das Recht entwickelte sich auf diesem Weg weiter und wurde komplexer. Anhand der erhaltenen Urkunden kann man die Strahlkraft Magdeburgs und ihrer Herrscher noch heute erkennen. Ebenso die Taten der Landesfürsten und der Menschen, die die neuen Gebiete erschlossen.

Dienstag, 1. April 2014

54. Beitrag - Vergessene Berufe - Der Dulli-Bieger




Jede neue Zeit bringt andere Herausforderungen mit sich. Damit man besser auf diese vorbereitet ist, werden alte Berufe angepasst und neue gegründet. Ein gutes Beispiel dafür ist der Kesselflicker. Dieser zog durch die Lande, reparierte Kochgeschirr und schärfte die Messer. Heutzutage wird einfach neu gekauft, was in Zeiten billiger Massenproduktion auch kein Thema mehr darstellt.

Von ähnlicher Präsenz war in der jüngeren Vergangenheit auch ein anderer Berufszweig. Gehen wir erstmal ein Stück zurück. Das Römische Reich war gewaltig, die Verwaltung recht gut organisiert. Mit der Schriftlichkeit ging es dann bis zum frühen und hohen Mittelalter etwas bergab. Die Geistlichkeit, allen voran die Mönche in den Klöstern konnten gut Lesen und Schreiben. Die ganzen Königreiche und andere Herrschaftsformen wurden aber immer komplexer, die Verwaltung und der Handel nahmen zu. Mit ihnen wuchs auch der Bedarf an schriftlichen Verträgen. Während man ursprünglich auf Papyrus schrieb, wurde es im Mittelalter durch Pergament verdrängt. Die Herstellung eines solchen Schriftstückes aus Tierhaut war kostspielig. Erst die Papiermühlen und das Druckverfahren mit beweglichen Lettern, verbesserter Tinte sowie die Druckpresse von Gutenberg revolutionierten das Schriftwesen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Schriftverkehr wurde immer günstiger und die Bürokratie nahm Fahrt auf.

Immer neue Höhepunkte der Produktion wurden erreicht, bis der Erste und der Zweite Weltkrieg für größere Unterbrechungen sorgten. Zwar gab es weiterhin einen regen Gedankenaustausch, immerhin mussten Befehle übermittelt und die Wirtschaft einigermaßen am Laufen gehalten werden, doch was danach kam, übertraf die kühnsten Vorstellungen. Der Aufbau eines Staates bedeutete vor allem eines: Bürokratie. Und dieser Papierkram musste ja schließlich irgendwie geordnet werden. Gegen Ende der 1930er Jahre gab es einen ersten Durchbruch mit der Erfindung des „Aufreiher für Blattsammlungen, mit federndem Mittelteil“. Der Heftstreifen oder im Volksmund auch „Aktendulli“ genannt, war geboren. Auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik war dieser besonders beliebt, konnte man doch ohne weiteres große Mengen Papier nach Belieben zusammenfügen. Die Verantwortlichen der Verwaltung haben zwar mit einem hohen Bedarf an Dullis gerechnet, dabei aber nicht bedacht, dass es auch einen hohen Verschleiß gab.

Man wollte schnell und effizient die bereits benutzten und lädierten Dullis aufbereiten. Ein neuer Berufszweig war geboren: Der Dullibieger! Dieser zog anfangs der 1950er Jahre mit einem Werkzeugkoffer von Betrieb zu Betrieb und kümmerte sich in mühevoller Handarbeit um die beschädigten Arbeitsmaterialien. Der Bedarf an Fachleuten dieses Bereiches stieg kontinuierlich, weshalb man ab Mitte der 1970er Jahre feste „Kombinate zur Aufbereitung industriewichtiger Materialen“ (KAiM) einrichtete. Die Dullibieger hatten nun feste Arbeitsstätten mit industriellen Maschinen bekommen.

Arbeiter bei der Anlieferung einer neuen Maschine zum Biegen.
Damit einher ging allerdings auch der schleichende Verlust von Privilegien. Der Chauffeur fiel weg, ebenso die Sonderzulage an Westgeld, die Dienstwohnung sowie die freie Versorgung mit Lebensmitteln. Mit dem Fall der Mauer verschwand der Beruf dann vollends. Doch dieser Beruf ist noch nicht gänzlich vergessen, denn gerade junge experimentelle Archäologen und Historiker beschäftigen sich mit vergangenen Berufen. So habe auch ich meine Leidenschaft für diesen Berufszweig entdeckt.
Innere Ansicht einer KAiM.

Siehe auch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heftstreifen