Sonntag, 28. September 2014

80. Beitrag - Die Unterwerfung Rügens

Vor der Wende des ersten Jahrtausends wurden die Küsten Nordeuropas heimgesucht. Egal ob Atlantik, Nord- oder Ostsee, überall durchstreiften die Wikinger die Gewässer, immer auf der Suche nach fetter Beute. Fischerdörfer waren ihnen hilflos ausgeliefert und Städte brannten. Besonders beliebt waren Klöster, wurden diese doch meist reich begütert. Der Christengott war schwach in ihren Augen und die Gläubigen selbst konnten als Sklaven weiterverkauft werden. Doch die Nordmänner unterschätzten die Anziehungskraft des Christentums und erlagen schließlich der Bekehrung durch dessen Priester. Aus Raubzügen wurden anerkannte Kriege. Doch noch immer gab es Heiden direkt vor der eigenen Tür. Ein slavischer Stamm befand sich direkt vor der Nase der Wikinger.

Szenenwechsel: Egal ob man Ranen, Rujanen oder Rugianer, wie Helmold sie nannte, dass slavische Volk das Rügen bewohnte, war weithin gefürchtet. Niemand konnte ihnen Einhalt gebieten. Wenn ihnen Land gefiel, nahmen sie es sich. Und die Wikinger, ihre direkten Konkurrenten? An den dänischen Küsten waren sie ihnen unterlegen. Doch 1168 sollte zum Schicksalsjahr von Rügen werden. Der dänische König Waldemar I. errang mit seiner Armee den Sieg über die Ranen. Die Slavenburg mitsamt Svantevittempel schliffen die Dänen bis auf die Grundmauer, so dass uns heute nur der einstige Burgwall erhalten blieb. Waldemar ließ die Slaven sich versammeln, natürlich nur unter der Aufsicht seiner Armee. Anschließend wurde dem Bildnis des Svantevit ein Strick um den Hals gelegt und man schleifte es unter den Augen der Dänen und Slaven durch das Heereslager. Mit Äxten wurde es zerhackt und brannte am Ende lichterloh.

Waldemar lobt Helmold in seiner Chronik. Der König der Dänen raubte den Schatz und verwendete diesen sowie seine eigenen Mittel, um auf der Insel Kirchen bauen zu lassen. Ganze 12 Stück sollten im Lande der Rugianer entstehen, denn ihren Glauben mussten sie ohnehin ablegen. Dabei erhielt Waldemar Hilfe von den beiden Bischöfen Absalon von Roeskilde und Berno von Mecklenburg. Jaremar, der Fürst der Rugianer, sah nun seine große Chance gekommen. Den neuen Glauben annehmend verpflichtete er sich diesem völlig. Er zog durch seine Ländereien, predigte, drohte aber auch den noch Ungläubigen sich bekehren zu lassen. Für diese Taten erhob Helmold ihn in seinem Werk zu einem Apostelfürsten, also jemanden, der direkt an der Seite Jesu thront.

In der Slavenchronik lesen wir aber noch von einer Sage aus viel älterer Zeit. Das Land der Ranen weihten die Franken einst für den heiligen Veit. Mönche des Klosters Corvey, welches ebenso dem heiligen Veit geweiht war, begaben sich auf die Insel Rügen und wollten dort angekommen, missionieren. Sie kamen mit ihrem Werk gut voran. Doch unser Chronist wusste bereits um die Verstocktheit der Ranen und darum sah er hierin den Grund, für das was anschließend geschah. Die Ranen nämlich verdrehten die Worte der Missionare und statt dem Christengott zu dienen, sahen sie in Veit einen Gott, den es zu verehren galt. Der heilige Veit wurde somit also zum Gott Svantevit. Natürlich ist dies nur eine Sage, aber wie wir ja wissen, steckt in jeder Sage auch ein Körnchen Wahrheit. Als Gott der Götter mussten alle Slaven ihm Tribut leisten. Auch war es der Priester von Svantevit, der noch im Rang über dem König stand.

Gut kamen die Ranen im Werk Helmolds also nicht weg, oder? Liest man weiter, wendet sich das Blatt zu Gunsten der Inselbewohner. Der Chronist lobte ihre Gastfreundschaft über alle Maßen. Sie ehrten ihre Eltern und Bedürftige oder Bettler suchte man bei ihnen vergebens. Wurde man durch Altersschwäche oder Krankheit unfähig sein Leben zu führen, so schickte man Kunde zu ihren Verwandten, also meist den Kindern. Diese waren dann in der Pflicht, sich um ihre Eltern zu kümmern und diese zu versorgen. Die Insel selbst war reich an Wild, Fisch und Früchten, die hier überall gediehen. Und dort wo heute Rügens berühmtester Leuchtturm steht, befand sich früher die Hauptstadt: Arkona.

Quelle:

Helmold von Bosau: Chronik der Slaven.

Sonntag, 21. September 2014

79. Beitrag - Die Visitation von Leuna

Leuna ist als Standort für seine chemische Industrie weit bekannt. Die heutige Stadt begann einst als ein kleines Dorf unter vielen und dessen Bedeutung konnte man bis zur Eröffnung der dortigen Industrie getrost vergessen. Da es aber zum Merseburger Bistum gehörig war, gab es andere Interessensgruppen. Leuna unterstand direkt dem Küchenamt Merseburg, also den Domverwaltern daselbst. Für die Seelsorge 1562 war der Pfarrer Wolffgang Scharschmitt zuständig. Als Dorf war Leuna nicht sonderlich groß,  gerade einmal 23 Höfe bzw. Häuser gab es. Ihm unterstellt waren noch die beiden Dörfer Göhlitzsch und Rössen, wobei letzteres ein Sitz der Familie (von) Bose war.

Besonders reich ausgestattet war der Pfarrer nicht, doch reichte es wohl, um einigermaßen gut über die Runden zu kommen. Immerhin existierten für ihn in Leuna ein Haus mit angeschlossenem Hof und Garten. Zusätzlich besaß er noch etwas Ackerland und eine Wiese. Ähnliches gab es noch in den beiden dazugehörigen Orten. Einzig bemängelt wurde der fehlende Küster,  doch war Pfarrer Scharschmitt bereit, den Pfarrbesitz in Rössen für diesen zur Verfügung zu stellen. So zumindest der offizielle Bericht der Visitatoren. Laut dem Pfarrer selbst sahen die Verhältnisse etwas anders aus. In Leuna gab es lediglich 16 Bauernhöfe und ein weiteres Dorf unterstand seiner Seelsorge: Ockendorf. Es war die kleinste der vier Ortschaften, wobei nur 7 der 8 Bauernstellen besetzt waren. Seiner Angabe nach war Rössen zudem um einiges größer als Leuna. Beschönigen einer Bruchbude ist nicht nur unseriösen Maklern unserer Zeit zu eigen. Bereits die Visitatoren blickten wohlwollend über Mängel hinweg. Während für sie die Küsterwohnung klar ging, beschrieb der Pfarrer diese als alt und zerfallen. Deshalb wies er die Bauern an das Haus instand zu setzen. Nichts geschah. Dann wollte es der Lehnherr Moritz Bose reparieren. Nichts geschah. Schlussendlich beherbergte der Pfarrer den Küster bei sich daheim.

Als 1578 die nächste Visitation anstand, erleben wir so etwas wie eine kleine Sensation. Immer noch ist Wolffgang Scharschmitt der Pfarrer und er blieb es auch weiterhin. Er verstarb sogar erst 1610 im stolzen Alter von 87 Jahren! Er stand vor ähnlichen Problemen wie seine Kollegen. Auch er sollte täglich predigen, die Zuhörer jedoch blieben fern. Sogar am Sonntag blieb die Kirche meist leer, denn die Dorfbevölkerung zog es in die Stadt. Leuna war eher ruhig und beschaulich, des Nachts aber durfte man nicht unterwegs sein. Auch empfahl es sich, sein Haus jede Nacht in eine Festung zu verwandeln. Diebe, Einbrecher und anderes Gesindel zogen umher. Fast jede Woche kam es zu einem Zwischenfall. Kaum eine Familie konnte des Nachts noch friedlich ruhen. Kam es zu einen der seltenen Fälle, in denen man den Einbrecher fasste, übergab man diesen der Amtsgewalt. Der zuständige Beamte aber, entließ den Verbrecher meist sofort wieder auf freien Fuß und diejenigen, die für die Verhaftung verantwortlich waren, mussten umso mehr um sich und ihre Familien fürchten. Über derart krasse Fälle vom Versagen der Justiz und der verantwortlichen Behörden hören wir für diese Zeit nur äußerst selten von einem der Dörfer des Bistums. Kann es also sein, dass vielleicht jemand ein offenes Ohr und noch ein weiter geöffnetes Geldsäckel hatte?

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Sonntag, 14. September 2014

78. Beitrag - Mittelalterliche Chronisten - Helmold von Bosau

Leider ist das Mittelalter nicht so mitteilungsbedürftig, wie man es sich manchmal wünschen würde. Zwar gibt es bereits viele Schrifttümer, doch ist ihre Anzahl noch recht überschaubar. Die wenigen Informationen, die wir durch sie gewinnen, müssen sorgfältig miteinander abgeglichen und ausgewertet werden. Zu den großen Chronisten zählen wir den bereits vielfach genannten Thietmar von Merseburg mit seiner sächsischen Kaiserchronik, Helmold von Bosau mit seiner Slavenchronik und Adam von Bremen, der über die Hamburger Kirchengeschichte berichtete. Das fatale an den Chronisten ist, dass sie sich oftmals auf einen Vorredner berufen oder das niederschreiben, was sie lediglich von anderen gehört haben wollen. Dabei kann es natürlich zu fehlerhaften Berichten kommen. Sie wissen sicherlich selbst, wie schnell Gerüchte für wahr erklärt und Erzählungen für bare Münze genommen werden können.

Die mittelalterlichen Chronisten und Geschichtsschreiber hatten dahingegen noch ein weiteres großes Problem: Es gab keine Kopiermaschinen. Bücher mussten per Hand vervielfältigt werden. Ein Fehler konnte das Werk mehrerer Tage Arbeit zunichtemachen, Korrekturmöglichkeiten gab es kaum. Ein undeutliches Zeichen konnte die Bedeutung eines Wortes ändern. Der nächste Schreiber, der eine Kopie davon anfertigen musste, las dann vielleicht ein ihm vollkommen unbekanntes oder unkenntliches Wort. Kopien von Kopien konnten so im Laufe der Zeit sehr weit voneinander abweichen. War das Wort fehlerhaft, musste der jeweilige Schreiber sich bemühen die richtige Bedeutung herauszufinden oder ein ähnliches Wort finden. Eine Sprache ist aber immer etwas Lebendiges. Möchte sie überleben, muss sie anpassungsfähig und veränderbar sein. Im Laufe der Jahre können sich so die Bedeutungen verschiedener Wörter ändern. Ein einfaches Beispiel: Zu Römerzeiten wurde ein Beiname, quasi so etwas wie ein Spitzname, vergeben, der sich über die Jahrhunderte zu einem Wort für eine beinahe uneingeschränkte Macht entwickeln sollte - aus Caesar wurde der Kaiser.

Lange Rede, kurzer Sinn. Nicht immer waren die Schreiber perfekt in ihrer Arbeit. Fehler wurden gemacht, Inhalte abgeändert und neue Bedeutungen geschaffen.

Helmold von Bosau bezog sich in seiner Chronik über die Slaven auf Adam von Bremen. Der erste Teil seiner Chronik beruht fast ausschließlich auf diesem Werk. Anschließend übernahm er mündliche Berichte und eigene Erlebnisse. Helmold gilt in der Geschichtsforschung als sehr gewissenhafter Schreiber. Nichts desto trotz war auch er nicht unfehlbar. Betrachten wir sein Werk also als wichtigen Teil unserer Geschichtsschreibung und nicht, um irgendwelche Vorurteile oder Überhöhungen der heutigen Zeit zu machen.

Wir erfahren vieles über die Gliederung und Namen der slavischen Stämme. Doch auch von deutschen Kaisern und Geistlichen ist zu hören. Sogar ein kurzer Bericht zu Thietmar von Merseburg ist zu finden. Schlachten, Hinterhalte, Verfolgung, Kriege mit Slaven und Kriege mit Nordmännern, seine Chronik würde den Stoff für ein epochales Filmwerk bieten.

Quelle:

Helmold von Bosau: Chronik der Slaven.

Sonntag, 7. September 2014

77. Beitrag - Propheten unserer Zeit? - Timecop

20 Jahre nachdem Timecop über die Kinoleinwände flimmerte, können wir heute einen Strich unter die Ereignisse des Films ziehen. Der 1994 gedrehte Action-Thriller spielt in mehreren Zeitebenen. Unser Hauptheld Jean-Claude von Damme alias Max Walker ist ein sogenannter „Time Cop“ und er arbeitet bei der „Time Enforcement Commission“ oder kurz „TEC“. Seine und die Aufgabe seiner Kollegen ist es, Eingriffe in der Verlauf der Geschichte zu verhindern. Dies ist durch modernste Technik ermöglicht wurden. Der Film selbst spielt aber in nicht in ferner Zukunft, sondern im Jahr 2004! Von unserem Standpunkt aus gesehen, handelt es sich daher eher um einen Film, welcher in der „Vergangenheit“ spielt. Wie also stellte man sich unsere „Vergangenheit“ vor?

Keine Behörde kommt ohne Regeln aus. Deswegen werden Verstöße gegen die staatlichen Gesetze von Zeitreisen schwer geahndet. Sollte sogar einer der Vollstreckungsbeamten in Zuge dessen eine Straftat begehen, endet es nur auf eine Weise: Todesstrafe. Handfeuerwaffen haben eine, selbst für heutige Zustände, ungewöhnlich große Feuer- und Zerstörungskraft, können aber trotzdem keine Schutzwesten des Jahres 1994 durchdringen. Einerseits reißen die Projektile große Löcher in Wände, sind dagegen bei Kevlarwesten nutzlos. Heutzutage ist jede Polizeitruppe in den Vereinigten Staaten mit sogenannten Taser, also Elektroschockpistolen, ausgestattet. Die im Film gezeigten, eigentlich nicht tödlichen Waffen, konnten mehrfach abgefeuert werden und verfügten über eine weitaus höhere Wirkung.

Wie bei den bisherigen Filmen, die die erdachte Zukunft zeigten, wirkt auch hier die Computertechnik rückständig. An Flachbildschirme dachte wohl selten einer der Filmemacher der frühen 1990er Jahre. Statt eines üblichen MP3-Players oder Discman verwendet man ein Abspielgerät für eine Art von Disketten. Im Film sah es nicht nur unhandlich aus, sondern auch viel zu klobig. Die dazu passenden Kopfhörer schienen dahingegen noch aus den 1980er Jahren zu stammen. Die Polizei war dafür mit Geräten ausgestattet, die unseren Smartphones ähneln. Diese jedoch werden nur per Sprache gesteuert und haben einen unglaublichen Datenzugriff auf sämtliche benötigte Informationen.

Mobilität ist dabei eine ganz andere Sache. Während die Fahrzeuge von 1994 im Film normal sind, werden sie für das Jahr 2004 als Metallkästen ohne Fenster vorgestellt. Im Innern ist man überhäuft von Technik. Jede Menge Monitore sollen die Fahrt so unproblematisch wie möglich machen. Dabei ist eine Fahrt mit solch einem Gefährt schon recht unkompliziert. Über eine Sprachsteuerung aktiviert man ganz einfach den Autopiloten. Technik steht deutlich vor Eleganz. Vergleichen wir es mit unserer Zeit, so ist es doch das genaue Gegenteil. Auf Eleganz und Aussehen wird möglichst viel Wert gelegt, die interne Technik muss sich nahtlos einfügen und eine unauffällige Begleiterscheinung sein. Nummernschilder wurden durch Barcodes ersetzt. Eines ist jedoch zeitlos zutreffend, denn auch schon im Jahr 1994 erkannte man, dass es selbst in der Zukunft noch lauter kaputte Straßen geben wird. Vielleicht sind deswegen auch die Fahrzeuge so gepanzert dargestellt worden. Eine Stimmsteuerung funktioniert aber nicht nur im Straßenverkehr. Die Wohnung erkennt eigenständig Personen, die diese betreten und beginnt automatisch Musik abzuspielen und Geräte einzuschalten. Nur das Licht muss man separat aktivieren. Für das persönlichere Vergnügen konnten die Menschen im Film
Virtual-Reality-Brillen nutzen, um so intime Situationen nachzustellen. Dabei handelt es sich um ähnliche, allerdings weit fortgeschrittene Geräte, wie bei denen aus Demolition Man.

Das politische Klima in den Vereinigten Staaten hatte sich zudem gewandelt. Statt der üblichen zwei Parteien von Demokraten und Republikanern, gab es nun für das Jahr 2004 die Unabhängige Partei auf der einen und die Alle Macht den Weißen Partei auf der anderen Seite. Washington D.C. selbst ist in Wohnzonen eingeteilt, über Straßennamen an sich ist nicht bekannt.

Wer die im Film gezeigte Zeitmaschine sieht, muss augenblicklich schmunzeln. Diese erinnert an den Delorean aus Zurück in die Zukunft. Auch die bei Timecop gezeigte Maschine benötigt eine bestimmte Geschwindigkeit, um ihre Passagiere in der Vergangenheit abzusetzen. Die Maschine selbst reißt nicht mit. Stattdessen kommen die Zeitreisenden mit Hilfe eines Taschencomputers zurück, der sie in die Maschine teleportiert, die anschließend wieder am Ausgangspunkt erscheint.

Noch eine kleine Frage zum Abschluss: Die Kleidung im Film wirkt eher ungewöhnlich, auch wenn das Modebewusstsein anscheinend nicht mehr existiert. Doch ist es bei uns heute viel anders?

Quelle:

Timecop (1994)