Donnerstag, 23. Oktober 2014

83. Beitrag - Die Visitation von Zwenkau

Das südlich von Leipzig gelegene Zwenkau gehörte noch im 16. Jahrhundert zum Merseburger Bistumsbesitz. Franz Lange aus Altenburg war der Hirte der Stadt sowie der Filial- und Dorfkirchen von Imnitz, Kotzschbar, Löbschütz, Mausitz, Rüssen, Pulgar, Döhlen, Storkwitz, Peris und Stoinen. Fürst Georg von Anhalt persönlich hat den Pfarrer in sein Amt einsetzen lassen und war gleichzeitig Lehnsherr über die Kirchen. Insgesamt umfasste das Gebiet allein mit den Filialdörfern um die 142 Familien. Rein theoretisch mangelte es dem Pfarrer an nichts, denn einige der Häuser gehörten zum Grundbesitz der Kirche von Zwenkau. Dennoch bat Franz Lange die Visitatoren um eine zusätzliche Gewährung von Mitteln, um die Zwenkauer Pfarre in Schuss halten zu können. Bisher musste der Pfarrer alles aus eigener Tasche finanzieren.

Ein anderes großes Problem bestand in dem Besitz der Pfarre an sich. Einige der Ortschaften besaßen vormals eine eigene, selbstständige Pfarre mit jeweils eigenem Besitz. Nun, da viele Orte zusammengefasst wurden, musste ebenso der Besitz zu einer Pfarre übergehen. Je nach Lehensverhältnis konnte es zu Komplikationen kommen. Und so kam es auch, weswegen die Visitatoren schlichten und präventiv wirken sollten. Die Arbeiter, die den Pfarrer bisher unterstützten, waren nicht die Fleißigsten, zumindest wollten sie Franz Lange nur bedingt unterstützten.  Probleme geistlicher Natur waren zusätzlich vorhanden. Selten interessierten sich die Menschen für eine Predigt. Gründe und Ablenkungen gab es viele: Die Bierschenken waren produktiv und die Sauferei beliebt. Spiele wurden gespielt und die Menschen bewegten sich lieber an der freien Luft, als in der Kirche zu sitzen. Außerdem war es zur Tradition geworden, bei der Geburt oder bei Tod eines Kindes in den Ratskeller zu gehen und sich ordentlich zu besaufen. Es scheint so, dass es viele Anlässe für ein Besäufnis gab, denn ebenso wie in anderen Orten, kippte man sich auch hier zu Pfingsten kräftig einen hinter Binde.

Die Bewohner der Kirchengemeinde hatten ihre eigenen Sorgen. Zwar war die Sauferei ein Problem für Franz Lange, doch die Menschen fühlten sich in Bedrängnis gebracht. Hexen, Drachen und andere Unholde stahlen die Milch, die Butter und den Käse - unhaltbare Zustände also. In der Stadt selbst wohnte der Teufelsmann, den man um Rat bat. Die Kirchmänner wussten selbst nicht, was sie von ihm halten sollten. War ein Meister der schwarzen Künste oder einfach nur schlau?

16 Jahre später, im Jahr 1578, hat der Pfarrer gewechselt. Kurze Zeit nach der ersten Visitation von 1562 verstarb Franz Lange, dessen Nachfolger Nikolaus Haidleben wurde. Ihm folgte 1573 Lukas Rother. Eine Knabenschule fand regelmäßig statt, die für die Mädchen nur gelegentlich. Hier gab es einige Probleme, doch waren Rat und Amtmann nicht bereit einzuschreiten. Es existierten Gotteslästerer und es gab Hinweise auf Zauberei sowie das Beherbergen von schwangeren „Jungfrauen“. Noch immer besuchten die Menschen nur selten die Kirche und auch die Sauferei war nicht weniger geworden.

Alles in allem war Zwenkau kein gottesfürchtiger Ort, doch gab es schlimmere Städte und Gemeinden zu jener Zeit. Als Pfarrer konnte man sich sicherlich mit den Verhältnissen arrangieren und ein einigermaßen gutes Leben führen.

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

82. Beitrag - Slavenbräuche?

Als Merseburg im 10. Jahrhundert noch eine bedeutende Königspfalz war, stellte die Altenburg zugleich ein Bollwerk gegen die östlich der Saale lebenden Slaven dar. Sicherlich waren bereits viele Gruppen befriedet worden, doch ganz sicher konnte man ja nie sein. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts setzten die ersten schriftlichen Überlieferungen zu den Stämmen ein. Wir wissen zwar einiges von ihren Gesetzen, Sitten und Bräuchen, doch waren es vergleichsweise wenige Chronisten, die über sie schrieben.

Von Helmold von Bosau erfahren wir, dass die Slaven 3 Hauptgöttern huldigten: Prove, Siva und Radigast. Zu Ehren dieser 3 fanden stets große Festlichkeiten statt. Was die Slaven dagegen nicht kannten, waren festgeschriebene Feiertage in einem regelmäßigen Turnus, wie es z.B. im Christentum üblich war. Stattdessen wurde die Reihenfolge des Feierns von einem Priester ausgelost. Anschließend versammelten sich alle Männer, Frauen sowie die Kinder und brachten Opfergaben. Schafe und Rinder brachte man auf den Opferplatz, doch an einer Sache ergötzten sich die Götter angeblich im Besonderen: Am Blut der Christen. Doch damit nicht genug, denn der Priester kostete anschließend das Blut, um so die Weisungen ihrer Götter zu empfangen. Ob sie aber tatsächlich das Blut von Menschen tranken, ist Ansichtssache, denn bei Helmold heißt es lediglich, dass es das Blut der Opfertiere gewesen sein soll. Neben diesen Hauptgöttern gab es jedoch auch unzählige Hausgötter und heilige Haine. Für den christlichen Chronisten waren es jedoch alles nur nach Blut labende Dämonen.

Das  anschließende Festessen musste berauschend gewesen sein. Das so viele Christen bei den Festlichkeiten geopfert wurden, scheint fraglich. Schaf und Rind geben noch heute ein wesentliches besseres Mahl ab. Während des Zechgelages ließen die Slaven eine Schale wandern, aus der ein jeder Worte auf den guten und den bösen Gott ausschütten sollte. Der böse Gott hieß Diabol oder auch Zcerneboch (schwarzer Gott). Und der Gute? Wir erfahren es leider nicht. Alles Glück und Unglück solle jedenfalls von diesen beiden entstammen.

Eine kleine erwähnenswerte Ausnahme bildete da anscheinend nur ein Völkchen, nämlich das der Insel Rügen. Deren Bewohner waren die Rugianer und sie verehrten vor allen anderen Göttern Swantewit oder auch Zvantevith. Dieser soll im Besonderen ein Gott der Orakelsprüche gewesen sein. Im Vergleich zu ihm waren alle anderen seinesgleichen nur halbe Götter. Ihm wurde gehuldigt, in dem man einen Christen ausloste und diesen anschließend opferte. Slaven aus aller Herren Länder schickten angeblich zu den Festen große Summen für die Opfergaben. Was sie genau schickten, erfahren wir leider nicht. Ihr Heiligtum war wirklich heilig für sie. Helmold sprach schon fast ehrfürchtig davon, wie sie ihrem Gott huldigten und welch große Ehrfurcht sie dabei walten ließen.

All den slavischen Völkern selbst sei eine extreme Wildheit angeboren gewesen, so dass ihre Nachbarn sie fürchten sollten. Zu Wasser oder zu Lande, sie säten Furcht in den Herzen ihrer Feinde. Gnade gab es keine, erst recht nicht für Christen. Man entriss ihnen ihre Eingeweide und wickelte diese um einen Pfahl. Andere kreuzigte man, um so ihren Glauben und sie selbst zu verhöhnen. Wollten die Slaven aber Lösegeld erpressen, verschonten sie das Leben des Christen. Stattdessen wurden diesem Fesseln so fest angelegt, dass ihm ins Fleisch geschnitten wurde. Selbst vor Folter schreckten sie nicht zurück. Es war ein recht grausames Volk, zumindest laut Helmold. Da wir die Ereignisse selbst nicht überprüfen können,  müssen wir uns auf sein Wort verlassen. Allerdings stellt man einen vermeintlichen Feind immer grausamer dar, um sich selbst von diesem abzuheben. Denn je brutaler der Gegner, desto geringer erscheinen eigene Missetaten. Hinzu kommt der zu erlangende Ruhm, wenn man solch vermeintlich Wilde schließlich doch noch unterwarf.

Quelle:

Helmold von Bosau: Chronik der Slaven.

Sonntag, 5. Oktober 2014

81. Beitrag - Kurioses aus Thietmars Chronik - Der Tod erscheint

So manche Geschehnisse aus vergangenen Zeiten mögen uns seltsam vorkommen, für die Zeitgenossen war es allerdings durchaus Normalität. Zauberkräfte waren etwas sehr reales, ebenso wie die Wunderkraft der Reliquien. Gewöhnliche Menschen mussten mit dem Teufel im Bunde sein, wenn sie von Visionen träumten, Kirchenmänner jedoch erfuhren so von dem göttlichen Willen. Greife, Drachen, Kobolde, Geister und Dämonen waren real existierende Geschöpfe und sogar der Tod höchst selbst soll sich manch einem persönlich angekündigt haben.

Thietmar berichtet in seiner Chronik von einem gewissen Priester namens Poppo, der schwer erkrankte. Geplagt von dem Mühsal sank er in einen tiefen Schlaf und fing an zu träumen. Vor sich sah der auf einem Berg stehende Poppo eine wunderschöne Stadt. Er gelangte zu einem hohen Turm und stieg mühselig die Stufen hinauf. Die oberste Ebene bestand aus einer einzig großen Plattform. Jesus Christus persönlich saß da und an seiner Seite alle Heiligen. Gegen den Erzbischof Brun von Köln wurde geklagt, da dieser die Philosophie nicht ordnungsgemäß anwandte. Sein Verteidiger war der heilige Paulus und auch die anderen Heiligen leisteten für ihn Fürbitte. Nach dem Prozess richteten sich die Blicke auf den Priester Poppo und eine Stimme rief ihm zu:

„Nach drei Tagen wirst du zu mir kommen und den Stuhl einnehmen, den ich dir jetzt zeige.“

Nach dem Erwachen rief er sofort nach Kaiser Otto, welche gut miteinander bekannt und befreundet waren. Der Priester berichtete von seiner Vision und beide verabschiedeten sich voneinander. Dieses Erlebnis sollte für das Merseburger Land nicht unbekannt bleiben. Ähnliche Vorfälle, suchten auch unsere Heimat heim. Eines Nachts gab es einen großen Tumult im Dom. Es klang so, als ob ein gewaltiger Schlag etwas getroffen hätte. Die Wachen berichteten dem Bischof und dem Domkapitel am nächsten Morgen von den Ereignissen. Den Schlag hatte der Stuhl des Bischofs abbekommen und so wusste er nun, dass er nur noch wenige Tage zu leben hatte.

Diese Visionen und Geschehnisse ereilten aber nicht nur kirchliche Würdenträger, sogar Kaiser Otto blieb davor nicht gefeit. Nach einer anstrengenden Jagd sank er im Kreise seiner Jagdgefährten zusammen und schlief ein. Im Traum erschien ihm eine Frau, die so groß war, dass sie den Wald selbst überragte. Er sprach sie an und sie antwortete ihm, dass ihr Name Bauchfluss sei und das sie ein paar Tage ihn ihm wohnen wolle. Einige Tage später starb der Kaiser, angeblich an der Ruhr. Doch nicht nur sein Tod wurde angekündigt, sondern auch der von 7 anderen Fürsten, die ebenfalls noch im gleichen Jahr verstorben sein sollen.

Verbundene Schicksale, Visionen und Todesvorahnungen waren in der Mystik und in der Religion seit jeher fest miteinander verbunden. Jesus selbst hatte eine Vorahnung, dass er verraten wurden war und sein Ende bald erfolgen sollte. Vielleicht waren all diese Ankündigungen ein Zeichen, die den Würdenträgern ihren Herrn näher bringen sollten.

Quellen:

Thietmar von Merseburg: Chronik.

Saal, Walter: Sagen der Region Merseburg.