Sonntag, 22. Februar 2015

98. Beitrag - Küchengeschichten

Nie zuvor in der Geschichte hatte der Mensch eine solch schier gigantische Auswahl an Lebensmitteln zur Verfügung. Egal ob direkt vom Erzeuger, Wochenmarkt, Einzelhandel oder Feinkostläden - heutzutage kommen wir meist unkompliziert an sämtliche Zutaten, die das Leben köstlicher machen, heran. Dem voraus gehen Jahrhunderte der Entbehrung und der fehlenden Konservierungsmöglichkeiten. Zwar gab es bereits Möglichkeiten der Trocknung und auch der Konservierung mit Salz, aber über die moderne Kühltechnik wären unsere Vorfahren äußerst dankbar gewesen. Unsere heutige Vielfalt heißt aber nicht, dass man zu mittelalterlichen Zeiten nur Brot aß und Wasser trank.

Die mittelalterliche Gesellschaft in Europa kannte zwar keine Kartoffeln, doch gab es andere Grundnahrungsmittel. Hirse, Hafer, Buchweizen, Roggen und Dinkel aß man in Form von Brot oder Brei, die Gerste nutzte man zum Bierbrauen. Als Obst gab es Äpfel, Birnen, Quitten, Pfirsiche, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen. Abgerundet wurde Auswahl durch Mandeln, Esskastanien und verschiedenen Nüssen. Bohnen, Erbsen, Spargel und Spinat sind nur einige der Gemüsesorten. Fleisch galt lange Zeit als ein Essen der Privilegierten, doch die Auswahl war deswegen nicht geringer. Man kannte Pferd, Esel, Hasen, Kaninchen, Schafe, Ziegen, Kühe, Schweine, Rinder und viele andere Tierarten.    

Für das Kochen in der bäuerlichen Stube war die Frau zuständig, doch gab es ebenso schon Berufsköche. Ein Koch ist per Definition jemand, der berufsmäßig Speisen zubereitet. In West- und Südeuropa kannte man den Begriff Koch und kochen in meist ähnlich klingend. Kohho, kok und cocus sind nur einige der vielen Formen.

Rund um die Nahrungsmittel gab es immer mehr sich spezialisierende Berufe. Bäcker, Fleischer, Jäger, Fischer - ein Bauer jedoch musste vielseitig sein, wenn er einigermaßen über die Runden kommen wollte. Dem hohen Adel standen dahingegen eine ganze Reihe an Bediensteten zur Verfügung. Der Truchsess war der Aufseher über die festliche Tafel, während der Mundschenk für die Getränke verantwortlich war. Darüber hinaus gab es den Küchenmeister, einen Einkäufer und einen Küchenschreiber. Ihnen zur Seite standen Köche, Köchinnen und anderes helfendes Gesinde. Die Vorratslager des Mittelalters waren ständigen Bedrohungen ausgesetzt. So schützten Wachen die Kornkammern, während sich Katzen und Hunde um die Ratten und anderen Nager kümmerten.

Besonders bedeutsam waren Gewürze. Pfeffer musste aus Indien importiert werden und war äußerst teuer. Noch wertvoller waren Muskatnüsse. Ein einziges Schiff, mit Gewürzen beladen, bedeutete einen enormen Reichtum. Sogar das heimisch gewonnene Salz konnte Berge aus Silbermünzen bedeuten. Gewürze waren Statussymbole, wie eine Anekdote aus dem 16. Jahrhundert erzählt: Jakob Fugger hatte Kaiser Karl V. in seinem Haus zu Besuch. Der Kaiser hatte Schulden bei, enorm hohe Schulden sogar. Fugger jedoch nahm einen dieser Schuldscheine und warf ihn ins Feuer, ebenso wie eine Hand voll Zimtstangen. Der Zimt sollte einfach einen angenehmen Duft verbreiten. Für uns hört es sich vielleicht banal an, damals jedoch verhöhnte Fugger so den Kaiser. Zimt konnte man mindestens mit Gold aufwiegen. Mit Gold, welches dem Kaiser nie gehören sollte.

Quellen:

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen

Michael Kirchschlager: Ich will ein guter Koch sein.

Sonntag, 15. Februar 2015

97. Beitrag - Die Visitation von Keuschberg

Bad Dürrenberg ist bekannt für Europas größtes zusammenhängendes Gradierwerk. Einst wurde hier Sole gefördert und Salz gesotten. Die Verleihung des Stadtrechtes erfolgte in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Vorher gab es nur viele kleine Orte, die von der dortigen Saline profitierten. Von einer gemeinsamen Verwaltung konnte im 16. Jahrhundert also noch keine Rede sein, oder doch? Die vormals bedeutsamsten Ort der heutigen Stadt waren Teuditz und Keuschberg. Der Ort Teuditz, welcher in den 1930er Jahren eingemeindet wurde, ist heute fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Bei Keuschberg sieht es nicht so viel besser aus, früher eigenständig, heute der älteste Stadtteil.

Keuschberg war, zumindest verhältnismäßig, eine riesige Kirchengemeinschaft und der evangelische Pfarrer Bartholomäus Erbe, aus Lauchstädt stammend, hatte sicherlich die Hände voller Arbeit. In Keuschberg gab es 18 Wohnhäuser, die Mühle nicht mitgezählt. Weiter gehörten dazu Balditz (12 Wohnhäuser), Porbitz (11 Wohnhäuser) und Lennewitz (14 Wohnhäuser). Das klingt vielleicht noch gar nicht so riesig, jedoch befand sich in Keuschberg die Mutterkirche und ihre Tochterkirchen erstreckten sich über ein nicht unerhebliches Gebiet. Wölkau (17 Wohnhäuser), Ostrau (12 Wohnhäuser und ein Rittergut), Groß- und Kleingoddula (15 Wohnhäuser),  Rampitz (11 Wohnhäuser), Schlechtewitz (15 Wohnhäuser), Oebles (5 Wohnhäuser) und Nempitz (12 Wohnhäuser) gehörten ebenso dazu.

Das Pfarrvermögen war nicht riesig, sicherlich aber mehr als ausreichend. Bartholomäus konnte sich 4 Kühe und 25 bis 30 Schafe halten. Zudem existierten noch einige Lehnverhältnisse, welche ebenfalls wieder ein Einkommen bescherten. Die Kirche selbst war reichhaltig ausgestattet mit Büchern, Kelchen und anderen Instrumenten für die Messe. Weiterhin zählten Braupfannen zur Herstellung von Bier und sogar ein sogenanntes schlagendes Zeigerwerk, einfach ausgedrückt, ein Kirchturm mit Uhr und Glocke. So gut die Kirche instand gehalten wurde, desto dürftiger sah die Pfarre aus. Die Visitatoren trugen deshalb allen der Pfarre zugehörigen Menschen auf, dass diese sich um die Reparatur zu kümmern hatten. Der Pfarrer hatte aber noch weitere Probleme, den bisher kümmerte sich der Altranstädter Pfarrer um die dortige Seelsorge. Aber das bedeutete eine Schmälerung der Einkünfte des Keuschberger Pfarrers. Man einigte sich auf einen Kompromiss in der Versorgung, so dass keiner der beiden Streitparteien zu kurz kam.

16 Jahre später hatte ein anderer Pastor den Posten vom Pfarrer Erbe übernommen. Der neue hieß Adam Fährmann und stammte aus Halle. Seit der ersten Begehung gab es einen wesentlichen Fortschritt in der Gemeinde, denn mittlerweile existierte eine kleine Schule für ein Dutzend Jungen. Die üblichen Probleme gab es trotzdem weiterhin. Die Fastenzeit wurde nicht richtig begangen, die Predigt von den Menschen nicht eingehalten und die Schule von den Kindern nur unregelmäßig besucht.

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Sonntag, 8. Februar 2015

96. Beitrag - Thor - Eine kleine Geschichte

Es war einmal vor langer Zeit, da lebte auf dem Gebiet der heutigen Türkei ein junger Prinz. Sein Vater war König Mennon, seine Mutter hieß Troan und war die Tochter des Großkönigs Priamus von Troja. Dieser Prinz wuchs bei Herzog Lorikus in Thrakien auf. Als er schließlich 10 Jahre alt wurde, schenkte sein Vater ihm Waffen. Mit 12 Jahren schließlich geschah das Unfassbare: Der Prinz erschlug seinen Ziehvater und seine Ziehmutter und eroberte sich das Gebiet des Herzogs mit Gewalt. Nach seiner Tat reiste er durch Asien, Afrika und Europa. Nebenher kämpfte und siegte er über Drachen, Riesen und Berserker. Von diesem Prinz ist uns sogar eine Beschreibung überliefert:

„Er war, verglichen mit anderen Menschen, in seiner äußeren Erscheinung so schön, wie wenn Elfenbein in Eichenholz eingelegt ist. Sein Haar war glänzender als Gold. Als er zwölf Jahre alt war, hatte er schon seine volle Körperkraft; in diesem Alter hob er zehn Bärenfelle auf einmal vom Erdboden empor.“

Der Name des Knaben war Tror. Wir kennen ihn aber unter zwei anderen Namen, Thor und Donar. Der nordische Donnergott als König von Troja und Eroberer von Thrakien? Thor kennen wir eigentlich als Gott der nordischen Götterwelt. Als Sohn des Odin zog er in seinem Streitwagen, gezogen von den Böcken Tanngnjostr und Tanngrisnir, durch den Himmel. Er schwang seinen Hammer Mjolnir, der uns noch heute als Schmuckanhänger sehr bekannt ist.  

Einige Jahrhunderte lang war es recht ruhig um den Donnergott. Erst im 19. Jahrhundert, als die Menschen sich sagten, dass sie eine Nation bilden müssten, wurden die alten Mythen wieder ausgegraben. Plötzlich beriefen sich gläubige Christen auf die nordischen Götter und ihrer damit einhergehenden Überlegenheit. Die Götter wurden zu mythischen Vorfahren stilisiert, ähnlich wie es bereits Snorri Sturluson zu Beginn des 13. Jahrhunderts in seiner Edda tat. Wie im ersten Abschnitt beschrieben, versuchte man die Götter als Vorfahren zu sehen. Seit der Christianisierung Skandinaviens gab es nur noch den Allmächtigen Gott.

Doch seit dem 19. Jahrhundert traten die nordischen Götter ihren Siegeszug bis zur heutigen Popkultur an und auch Thor gewann erneut an Bekanntheit, wie folgende zwei Beispiele zeigen sollen.
Als Comicfigur kämpft Thor zusammen mit anderen Superhelden gegen das Böse.

In der Fernsehserie Stargate ist Thor ein Außerirdischer und Freund der Menschen.
Betrachten wir nordische, ägyptische, griechische und andere Götterwelten, bleibt einem manchmal nur eine Erkenntnis: Götten sind eben auch nur Menschen.

Quellen:

Snorri Sturluson: Die Edda.

Wolfgang Golther: Handbuch der germanischen Mythologie.

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