Als
Kirchenort war Kötzschau nie sehr berühmt. Selbst wenn man einer
Fehlinterpretation folgt und die Kötzschauer Kirche bereits um das Jahr 1000
datiert, so war sie dennoch nie wirklich berühmt. Das Kirchgebäude jedoch wird
von einem Mythos umgeben, an dem vor allem die älteren Einwohner festhalten.
Die Rede ist von einem unterirdischen Gang, welcher angeblich von Mönchen
angelegt worden war. Kurz zur Ausgangsituation: An das Kirchgebäude grenzt im Osten der Friedhof.
In Richtung Westen kommt zunächst das ehemalige Pfarrgebäude, gefolgt von
einigen bewohnten Grundstücken und schließlich das noch heute unter diesem
Namen bekannte Mönchsgut. In früheren Zeiten, also noch vor der Reformation
sollen einige Mönche hier gelebt und eine kleine Gemeinschaft gebildet haben.
Als ich begann mich mehr für die Geschichte meines Heimatortes zu
interessieren, schnappte ich auch einige verschiedene Sagen, Gerüchte und
Legenden auf. Eine dieser Erzählungen besagte, dass ein unterirdischer Gang
noch heute existiert. Dieser beginnt angeblich in der Kirche, führt weiter zum
Mönchsgut und hat hier sogar einen eigenen Zugang, während sich der Ausgang im
ehemaligen Gasthof auf dem Dorfplatz in Kötzschau befindet. Wieso aber endet
der Weg ausgerechnet in einem Gasthof?
Die
einzige Antwort, die mir die Leute auf diese Frage geben konnten war, dass die
Mönche ungesehen und heimlich saufen konnten. Im ersten Moment klingt es ganz
logisch, doch denken wir diesen Gedanken einmal zu Ende. Der Tunnel musste noch
vor der Reformation angelegt worden sein, da die Überlieferungen seit dem 16. Jahrhundert rapide anstiegen und niemand je ein Wort über den Tunnel
verloren hat. Andererseits müsste dieses Gerücht bereits seit über 500 Jahren
im Umlauf sein. Warum also findet sich nirgends eine Aufzeichnung darüber?
Und
warum sollten die Mönche heimlich zum Saufen gehen. Immerhin oblag den Mönchen
das Braurecht und Bier gehörte
nun einmal zu den Grundnahrungsmitteln. Die Sage über den Tunnel hat
mich an eine andere Legende erinnert, nämlich die der Maultasche. Angeblich
wurde während der Fastenzeit ein großer und saftiger Schinken vor die Tore des
Klosters Maulbronn auf dem heutigen Gebiet des Bundeslandes Baden-Württemberg
abgelegt. Einerseits durften die Mönche diesen nicht essen, andererseits
wollten sie das gute Stück nicht einfach verkommen lassen. Hin- und hergerissen
kam ihnen schließlich die rettende Idee: Die Mönche zerkleinerten das Fleisch
und schlossen es in Teig ein. Die Maul(-bronn)tasche war geboren. Gott sollte nicht sehen, wie die
Mönche während der Fastenzeit offen Fleisch verspeisten, in der Tasche war es
gut versteckt. Ähnlich verhält es sich mit der Kötzschauer Tunnelsage,
denn Gott sollte nicht sehen, wie sich die Mönche zum Saufen begaben.
Oder
war es einfach viel Lärm um Nichts? Solch einen Tunnel, welchen man vor der Reformation
aufgab, konnte schwerlich Jahrhunderte unversehrt bestehen bleiben. Vielleicht
waren es auch Luthers Anhänger, die diese Gerüchte in die Welt setzten, um die
Anhänger des in ihren Augen alten Glaubens zu diffamieren. Mit Sicherheit
können wir nur sagen, dass wir keine sicheren Erkenntnisse haben. Oder doch?
Als ich in der Heimatstube, dem kleinen Dorfmuseum in Kötzschau, aushalf, trat
ein Mann an mich heran und erzählte mir eine scheinbar unglaubliche Geschichte.
Er wollte den Gang entdeckt habe. Er erzählte, als er mit seinen Eltern in
seiner Kindheit neu nach Kötzschau gezogen war, es eine Art Konkurrenzkampf
gab. Gerade entstand in der Nähe des Bahnhofs die Neubausiedlung. Die Kinder
der alteingesessenen Familien und die der neuen Bewohner spielten sich
gegenseitig Streiche. Es ging soweit, dass sie die Kühe der Bauern
aufschreckten und Chaos auf den Weiden verursachten. Eines Tages erwischte ein
Bauer sie dabei und jagte sie durchs Dorf. Da es bereits dämmerte, dachten die
Kinder, dass sie sich gut auf dem Friedhof verstecken konnten. Da der Bauer
ihnen eine Lektion erteilen wollte, dauerte die Verfolgung an. Gerade als die
Kinder bei der Kirche in Deckung gingen, brach unter ihren Füßen der Boden
zusammen. Sie waren verwundert, denn sie fielen nicht sehr tief und befanden
sich in einer Art Tunnel oder Keller. Gemälde und alte Möbelstücke stapelten
sich hier. Als sie davon erzählten, wollte niemand ihnen Glauben schenken, da
der Raum am nächsten Morgen verschwunden war.
Ein
Augenzeuge als Beweis? Wohl kaum, denn auf diese Art verbreiten sich Gerüchte
und Sagen entstehen. Ob seiner Geschichte ein wahrer Kern zu Grunde liegt,
lässt sich nur sehr schwer herausfinden. Ein möglicher Beweis wäre der
unterirdische Gang samt Inhalt.
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