Jede
neue Zeit bringt andere Herausforderungen mit sich. Damit man besser auf diese
vorbereitet ist, werden alte Berufe angepasst und neue gegründet. Ein gutes
Beispiel dafür ist der Kesselflicker. Dieser zog durch die Lande, reparierte
Kochgeschirr und schärfte die Messer. Heutzutage wird einfach neu gekauft, was
in Zeiten billiger Massenproduktion auch kein Thema mehr darstellt.
Von
ähnlicher Präsenz war in der jüngeren Vergangenheit auch ein anderer Berufszweig.
Gehen wir erstmal ein Stück zurück. Das Römische Reich war gewaltig, die
Verwaltung recht gut organisiert. Mit der Schriftlichkeit ging es dann bis zum
frühen und hohen Mittelalter etwas bergab. Die Geistlichkeit, allen voran die
Mönche in den Klöstern konnten gut Lesen und Schreiben. Die ganzen Königreiche
und andere Herrschaftsformen wurden aber immer komplexer, die Verwaltung und
der Handel nahmen zu. Mit ihnen wuchs auch der Bedarf an schriftlichen
Verträgen. Während man ursprünglich auf Papyrus schrieb, wurde es im
Mittelalter durch Pergament verdrängt. Die Herstellung eines solchen
Schriftstückes aus Tierhaut war kostspielig. Erst die Papiermühlen und das
Druckverfahren mit beweglichen Lettern, verbesserter Tinte sowie die
Druckpresse von Gutenberg revolutionierten das Schriftwesen ab der Mitte des
15. Jahrhunderts. Der Schriftverkehr wurde immer günstiger und die Bürokratie
nahm Fahrt auf.
Immer
neue Höhepunkte der Produktion wurden erreicht, bis der Erste und der Zweite
Weltkrieg für größere Unterbrechungen sorgten. Zwar gab es weiterhin einen
regen Gedankenaustausch, immerhin mussten Befehle übermittelt und die
Wirtschaft einigermaßen am Laufen gehalten werden, doch was danach kam,
übertraf die kühnsten Vorstellungen. Der Aufbau eines Staates bedeutete vor
allem eines: Bürokratie. Und dieser Papierkram musste ja schließlich irgendwie
geordnet werden. Gegen Ende der 1930er Jahre gab es einen ersten Durchbruch mit
der Erfindung des „Aufreiher für Blattsammlungen, mit federndem Mittelteil“. Der
Heftstreifen oder im Volksmund auch „Aktendulli“ genannt, war geboren. Auf dem
Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik war dieser besonders beliebt,
konnte man doch ohne weiteres große Mengen Papier nach Belieben zusammenfügen. Die
Verantwortlichen der Verwaltung haben zwar mit einem hohen Bedarf an Dullis
gerechnet, dabei aber nicht bedacht, dass es auch einen hohen Verschleiß gab.
Man
wollte schnell und effizient die bereits benutzten und lädierten Dullis
aufbereiten. Ein neuer Berufszweig war geboren: Der Dullibieger! Dieser zog anfangs der 1950er Jahre mit einem
Werkzeugkoffer von Betrieb zu Betrieb und kümmerte sich in mühevoller
Handarbeit um die beschädigten Arbeitsmaterialien. Der Bedarf an Fachleuten
dieses Bereiches stieg kontinuierlich, weshalb man ab Mitte der 1970er Jahre
feste „Kombinate zur Aufbereitung
industriewichtiger Materialen“ (KAiM)
einrichtete. Die Dullibieger hatten nun feste Arbeitsstätten mit industriellen
Maschinen bekommen.
Arbeiter bei der Anlieferung einer neuen Maschine zum Biegen. |
Damit
einher ging allerdings auch der schleichende Verlust von Privilegien. Der
Chauffeur fiel weg, ebenso die Sonderzulage an Westgeld, die Dienstwohnung
sowie die freie Versorgung mit Lebensmitteln. Mit dem Fall der Mauer verschwand
der Beruf dann vollends. Doch dieser Beruf ist noch nicht gänzlich vergessen,
denn gerade junge experimentelle Archäologen und Historiker beschäftigen sich
mit vergangenen Berufen. So habe auch ich meine Leidenschaft für diesen
Berufszweig entdeckt.
Innere Ansicht einer KAiM. |
Siehe
auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heftstreifen
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