Zu
der Zeit der Ersterwähnung Merseburgs im 9. Jahrhundert endeten die östlichen
Grenzen des Reiches meist an Saale und Elbe. Flüsse waren natürliche Barrieren,
welche das Land trennten. Es war eine Zeit, in der viele Menschen nicht
schwimmen konnten, immerhin befand man sich die meiste Zeit an Land, weshalb
also in die Fluten steigen? Um auf die andere Seite zu gelangen musste man ein
Floß oder ein Boot nutzen, Brücken existierten nur in den seltensten Fällen.
War keines der drei vorgenannten vorhanden, blieb noch die Furt. Bei ihnen
handelt es sich um seichtere Stellen im Wasser, an denen eine Überquerung zu
Fuß möglich ist. Solche Übergänge waren besonders wertvoll für Kaufleute, aber
auch für ganze Heere.
Die
Altenburg und die sich daran entwickelnde Stadt lagen an einer wichtigen Furt,
welche wiederrum an einer Handelsstraße lag. Das Grenzland war allerdings
keineswegs streng kontrolliert, geschweige denn waren beide Flussseiten
voneinander hermetisch abgeriegelt. Es waren sprichwörtlich flüssige Übergänge.
Die altmodische Vorstellung, dass Germanen auf der einen Seite und Slaven auf
anderen lebten, ist längst überholt. Es gibt ja nicht einmal eine Antwort auf
die Frage, was Germanen oder Slaven ausmachte.
Jetzt,
im Jahr 900 war das Gebiet um Merseburg herum wahrscheinlich recht friedlich.
Die östlich der Saale lebenden „heidnischen“ Sorben lebten vermutlich in
einiger Harmonie mit den westlich der Saale lebenden Christen. Mit Absicht habe
ich diese jetzt nicht als Germanen bezeichnet, denn es wäre sehr schwer zu
beweisen. Multikulti ist keineswegs
ein Phänomen der Moderne, bereits im europäischen Mittelalter war es gelebter
Alltag. Doch Vorsicht, moderne Maßstäbe darf man nicht ansetzen, denn es kommt
immer auf den Kontext an. Unsere heutige Welt ist dank moderner Kommunikations-
und Transportmittel zu einem Dorf geworden.
Das
Zeitalter der Nationalstaaten, welches im ausgehenden 18. Jahrhundert begann,
ist nicht direkt mit den vielen kleinen Herrschaften und Völkern des europäischen
Mittelalters zu vergleichen. Dennoch, für viele in Merseburg lebenden Bürger
waren die Sorben sicherlich ebenso sonderbar, wie Franken, Flandern, oder
Belger. Zusätzlich herrschte ein relativ großer Mix an Bräuchen, Traditionen
und Formen der Religionsausübung. Man kann ja nicht einmal sagen, was die
Sorben der damaligen Zeit definierte, immerhin gab es wahrscheinlich sogar
erhebliche Unterschiede innerhalb derjenigen, die wir als Gruppe oder Volk
bezeichnen.
Merseburg,
Meißen und Zeitz waren drei der Ausgangspunkte für das, was sich im Verlauf des
10. Jahrhunderts zu einer großen Bewegung entwickeln sollte. Früher war es
bekannt unter dem Namen Ostkolonisation, später dann Ostsiedlung. Doch die
Begriffe waren umstritten, zumal es kaum den Vorgängen gerecht wurde. Ein
treffenderer Name war der des Landesausbau. Große Gebiete östlich von Saale und
Elbe waren unbesiedelt. Meist waren es nur kleine Dörfer und Weiler, welche die
Landschaft ausmachten. Das was sich nun im Osten des Reiches anbahnte, schaffte
man nur mit Hilfe derjenigen, die im Westen des Reiches lebten.