Wohnte
man auf dem Merseburger Neumarkt, musste das Wissen darum Schloss und Dom über
sich thronen zu sehen, doch Anreiz genug sein ein moralisches Leben zu führen
und allen Sünden abzuschwören. Die Nähe zum Bischofssitz sollte darüber hinaus gewährleisten,
dass nicht erst eine umfangreiche Bürokratie nötig war, damit notwendige
Baumaßnahmen oder andere Mittel zur Behebung von Problemen notwendig waren.
Doch, war es tatsächlich so? Oder schadete die Nähe zu den hohen Herren
eventuell sogar der Moral? Vielleicht.
Im
Jahr 1562 war Caspar Fritzschke der Pfarrer, der die Kontrolle über sich
ergehen lassen musste. Inspiziert wurden von den Visitatoren die Kirche St.
Thomas sowie die beiden Hospitäler St. Barbara und St. Andrea. Mit 66
Wohnhäusern war der Stadtteil sogar recht dicht besiedelt, muss man doch pro
Wohnhaus mit mehreren Menschen rechnen. Die Einnahmen von St. Barbara waren, im
Vergleich zu manchen Dörfern, enorm. Zu den Geldgebern dieses Hospitals
gehörten unter anderem die Erben des Götz von Wolffdorf, der Sekretär Hans
Töpfer, der Fassmacher der Ölgrube sowie diverse Dörfer im Merseburger
Einflussgebiet. Mit dem Geld und den anderen Abgaben wurden zudem die Armen
gespeist, sieben an der Zahl waren es. Hinzu kamen sieben Feste über das Jahr
verteilt, an dem man Gebratenes servierte und vor jedem der Feste gab es je
einen großen Eierkuchen. Abgerundet wurde die Mahlzeit mit Käse, hausgebackenem
Brot und Bier.
Das
Geld aber nicht alles ist, zeigte sich bereits vor fast 500 Jahren. Das Pfarrgebäude
war baufällig, immerhin konnte sein Bewohner kaum im Trockenen sitzen oder gar
liegen! Er war dabei bei weitem nicht der einzige, der nass ruhen musste, denn
viele Gräber waren ebenso regelmäßig überflutet. Die Kinder vor Ort waren
wahrlich keine Engel, immerhin bezeichnete der Pfarrer sie als „verroht“. Als
der Geistliche dieses Thema ansprach, wurde er kurz darauf von Wolf Mundlein
mit einem Beil bedroht und aufs übelste als Dieb, Henker, Schelm und Bösewicht
beschimpft. Dahingegen scheint eine kaputte Glocke noch das geringste Übel zu
sein. Aber immerhin, nicht alles war schlecht. So verfügte man auf dem Neumarkt
immerhin über ein Badehaus.
Bei
der nächsten Visitation 1578 hatte der Pfarrer bereits mehrfach gewechselt. Zum
Zeitpunkt dieser Besichtigung war Jodocus Rigelius Pfarrer des Neumarkts.
Gleich zu Beginn erfahren wir, dass es keine eigene Schule vor Ort gab,
stattdessen gingen die Kinder in die Stadtschulen Merseburgs. Bei seinen
Predigten war Jodocus nicht unbedingt der Fleißigste und ein Kirchenregister
wurde auch nicht angelegt. Vielleicht waren ihm diese Verwaltungsakte einfach
schlichtweg egal. Die Bierwirte versorgten in ihren Schenken munter die Gäste,
während der Pfarrer in seiner Kirche wohl recht einsam die Predigt hielt. Und
das um die Mittagszeit! Wahrscheinlich war das Merseburger Bier einfach ein zu
großer Genuss. Ansonsten gab es nur die üblichen Probleme, also undichte Dächer
und baufällige Gebäude.
Ein
anderes Ärgernis war es aber, dass den Pfarrer und die Visitatoren auf Trab
hielt. Eine Zauberin, die die gelbe Elsa genannt wurde, trieb auf
dem Neumarkt ihr Unwesen. Wobei Unwesen vielleicht das falsche Wort ist, denn
über ihre Taten ist nichts weiter bekannt. Zwar wurde sie einige Zeit vor der
Visitation 1578 vertrieben, kehrte aber währenddessen zurück und verhielt sich
ruhig und unauffällig.
weitere Visitaionen:
Quelle:
Friedensburg, Walter:
Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.