Was
ist Geschichte?
Bei
diesem Thema scheiden sich die Geister. Zunächst einmal ist es das Vergangene,
dass hinter uns Liegende und das Erlebte. Somit wird die Gegenwart unmittelbar
mit jeder verstreichenden Sekunde zur Vergangenheit - aber auch zur Geschichte?
Es kommt darauf an, wie jeder für sich selbst das Wort Geschichte definiert.
Nicht alle Ereignisse sind in den Augen der Historiker geschichtsträchtig bzw.
wichtig für den Verlauf ‚großer Ereignisse‘. Dabei wird
allerdings gern übersehen, dass jede noch so kleine Tat den Lauf unserer
Weltgeschichte verändern könnte. Um dies zu beweisen müsste man jedoch
sämtliche Umstände, Neigungen, Erlebnisse, Gedanken, also das gesamte Leben
sämtlicher Menschen dieser Welt kennen. Und das ist für Historiker einfach
unmöglich.
Geschichte
ist zudem eine Wissenschaft, welche die Entwicklung der Gesellschaft untersucht
und Vergangenes greifbar machen soll. Geschichte ist aber viel mehr, denn jede
Erzählung, jedes Gedicht und jedes Gerücht ist eine Geschichte. Im
Althochdeutschen heißt es ‚giskiht‘, was sehr an unser ‚geschieht‘
erinnert. Im Mittelhochdeutschen wird es dann schon klarer, denn da hieß es nun
bereits ‚geschiht‘. Es war ein Geschehen, Ereignis sowie Zufall und
Umstand. Folgt man dem ursprünglichen Wortlaut, müsste es eigentlich ‚was
sich ereignet‘ bedeuten. Gemeint wäre somit die Gegenwart, nicht die
Vergangenheit. Zugleich bildete sich noch ein weiteres Wort, nämlich ‚geschicht‘.
Es beschrieb eine mündliche oder schriftliche Erzählung von tatsächlichen
Ereignissen oder ausgedachten Taten, deren Denkwürdigkeit weitergetragen werden
sollte und musste. Diese Geschehnisse reihten sich idealerweise aneinander, so
dass Geschichte nun fast gleichzusetzen mit Schicksal war. Man folgte einem
gewissen chronologischen Ablauf. Die Geschichtswissenschaft, wie wir sie heute
kennen, begann sich ungefähr seit dem 18. Jahrhundert zu entwickeln.
Geschichte
ist ein natürlicher Bestandteil unseres Wesens und unserer Identität. Jeder
Mensch definiert sich über seine Erlebnisse, sein Umfeld und die Geschehnisse,
die ihm Nahe gehen. Jeder Mythos hat seinen Ursprung und jeder Mensch kann
einen Mythos begründen oder nähren. Jede Religion beginnt mit einer Geschichte,
die über ihre eigene Legitimation aufklärt und jeder Mensch muss entscheiden, welches
Argument ihn am meisten überzeugt. Bereits Einstein war sich sicher, dass
Fantasie nicht begrenzt ist und noch heute hat er damit recht. Viele Menschen
besitzen die Gabe Welten zu erschaffen und diese mit lebendigen Wesen zu
füllen. Somit werden all die Geschöpfe wie Elben, Elfen und Feen, Zwerge,
Kobolde und Hobbits, aber auch Drachen, Orks und andere Scheusale ein Teil
unserer Welt. Die meisten dieser Wesen entsprangen der Mythologie, doch macht
es sie weniger real?
Wir
Menschen haben unser Leben durch Götter versucht zu legitimieren. Die
Religionen wechselten sich ab, bestimmte Motive blieben aber erhalten, wie der
Bruderzwist. Kain und Abel oder in der moderneren Popkultur Dean und Sam aus
der Fernsehserie Supernatural, sollen
an dieser Stelle stellvertretend dafür stehen. Viele Menschen finden Religion
und Glauben lächerlich, doch gab es weitaus verrücktere Sachen, die der Mensch
sich erdachte. Nationen beispielweise sind weder natürlich, noch durch
Vorhersehung entstanden, sondern vielmehr durch harte Überzeugungsarbeit. Was
hatten denn Menschen aus Schwaben mit den Menschen an der Nord- und Ostseeküste
gemeinsam? Oder Preußen und Bayern?
Natürlich das es „DEUTSCHE“ waren! Okay, bei näherer Betrachtung zerbröselt selbst
diese Ansicht innerhalb von Sekunden, denn bereits Bismarck sagte einst:
„Wir
wollen das preußische Königtum nicht verschwimmen sehen in der fauligen Gärung
süddeutscher Gemütlichkeit.“
Autsch!
Soviel zur urdeutschen Solidarität. Wir haben es also geschafft durch erfundene
Geschichten unsere Geschichte zu entwerfen und zu konstruieren. Und nun? Ist
der Nationalismus, außer dass dieser erst erfunden werden musste, ein
Grundübel, das uns seit dem 19. Jahrhundert verfolgt? Ja. Nein. Vielleicht. Es
kommt immer darauf an, worauf wir uns beziehen. Fangen Sie einfach einmal bei
sich an und versuchen Sie sich, selbst zu definieren. Anschließend sollte ein
Vergleich zu verschiedenen anderen Personen gezogen werden, doch am Schluss
wird eine Erkenntnis stehen: Sie sind ein Mensch, genauso wie ihr Nachbar. Und
deren Nachbar. Und dessen Nachbar. Und immer so weiter, bis Sie einmal um den
Planeten herum sind und vielleicht viele neue Geschichten erlebt haben.
Quelle:
Etymologisches
Wörterbuch des Deutschen
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