Leuna ist als
Standort für seine chemische Industrie weit bekannt. Die heutige Stadt begann
einst als ein kleines Dorf unter vielen und dessen Bedeutung konnte man bis zur
Eröffnung der dortigen Industrie getrost vergessen. Da es aber zum Merseburger Bistum
gehörig war, gab es andere Interessensgruppen. Leuna unterstand direkt dem
Küchenamt Merseburg, also den Domverwaltern daselbst. Für die Seelsorge 1562
war der Pfarrer Wolffgang Scharschmitt zuständig. Als Dorf war Leuna nicht
sonderlich groß, gerade einmal 23 Höfe
bzw. Häuser gab es. Ihm unterstellt waren noch die beiden Dörfer Göhlitzsch und
Rössen, wobei letzteres ein Sitz der Familie (von) Bose war.
Besonders reich
ausgestattet war der Pfarrer nicht, doch reichte es wohl, um einigermaßen gut
über die Runden zu kommen. Immerhin existierten für ihn in Leuna ein Haus mit
angeschlossenem Hof und Garten. Zusätzlich besaß er noch etwas Ackerland und
eine Wiese. Ähnliches gab es noch in den beiden dazugehörigen Orten. Einzig
bemängelt wurde der fehlende Küster,
doch war Pfarrer Scharschmitt bereit, den Pfarrbesitz in Rössen für
diesen zur Verfügung zu stellen. So zumindest der offizielle Bericht der
Visitatoren. Laut dem Pfarrer selbst sahen die Verhältnisse etwas anders aus.
In Leuna gab es lediglich 16 Bauernhöfe und ein weiteres Dorf unterstand seiner
Seelsorge: Ockendorf. Es war die kleinste der vier Ortschaften, wobei nur 7 der
8 Bauernstellen besetzt waren. Seiner Angabe nach war Rössen zudem um einiges
größer als Leuna. Beschönigen einer Bruchbude ist nicht nur unseriösen Maklern
unserer Zeit zu eigen. Bereits die Visitatoren blickten wohlwollend über Mängel
hinweg. Während für sie die Küsterwohnung klar ging, beschrieb der Pfarrer
diese als alt und zerfallen. Deshalb wies er die Bauern an das Haus instand zu
setzen. Nichts geschah. Dann wollte es der Lehnherr Moritz Bose reparieren.
Nichts geschah. Schlussendlich beherbergte der Pfarrer den Küster bei sich
daheim.
Als 1578 die nächste
Visitation anstand, erleben wir so etwas wie eine kleine Sensation. Immer noch
ist Wolffgang Scharschmitt der Pfarrer und er blieb es auch weiterhin. Er
verstarb sogar erst 1610 im stolzen Alter von 87 Jahren! Er stand vor ähnlichen
Problemen wie seine Kollegen. Auch er sollte täglich predigen, die Zuhörer
jedoch blieben fern. Sogar am Sonntag blieb die Kirche meist leer, denn die
Dorfbevölkerung zog es in die Stadt. Leuna war eher ruhig und beschaulich, des
Nachts aber durfte man nicht unterwegs sein. Auch empfahl es sich, sein Haus
jede Nacht in eine Festung zu verwandeln. Diebe, Einbrecher und anderes
Gesindel zogen umher. Fast jede Woche kam es zu einem Zwischenfall. Kaum eine
Familie konnte des Nachts noch friedlich ruhen. Kam es zu einen der seltenen
Fälle, in denen man den Einbrecher fasste, übergab man diesen der Amtsgewalt.
Der zuständige Beamte aber, entließ den Verbrecher meist sofort wieder auf
freien Fuß und diejenigen, die für die Verhaftung verantwortlich waren, mussten
umso mehr um sich und ihre Familien fürchten. Über derart krasse Fälle vom
Versagen der Justiz und der verantwortlichen Behörden hören wir für diese Zeit
nur äußerst selten von einem der Dörfer des Bistums. Kann es also sein, dass
vielleicht jemand ein offenes Ohr und noch ein weiter geöffnetes Geldsäckel
hatte?
Quelle:
Friedensburg:
Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.
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