Eines
meiner großen Hauptthemen sind noch immer die Visitationen, die im Merseburger
Land stattfanden. Liest man die Berichte aufmerksam, so sind die wichtigen
Dinge nicht nur die Beschwerlichkeiten oder die Steuereinnahmen eines Ortes,
sondern vor allem die Bibliothek des jeweiligen Pfarrers. Natürlich waren es
keine Bibliotheken im heutigen Sinn mit hunderten von Büchern, immerhin
sprechen wir vom 16. Jahrhundert. Die meisten Ortsbibliotheken bestanden aus
nicht mehr als 2 oder gar 3 Büchern! Die Bibel, manchmal geteilt in zwei Bände
für das Alte und das Neue Testament war ohne Zweifel das wichtigste Werk. Zudem
besaßen viele Pfarrer bereits Luthers
Bibelversion, denn seine Übersetzung sollte den Gläubigen näher gebracht
werden und nicht wie bisher, unverständliches Latein. Zunehmend gewann
allerdings ein anderes Buch noch viel mehr an Bedeutung, nämlich Luthers
kleiner Katechismus. Es war eine Sache, den Gläubigen die heilige
Schrift näherzubringen, eine ganz andere aber diese gut zu erklären.
Wir
befinden uns im 16. Jahrhundert in einer Zeit, in der zwar die allgemeine
Bildung zugenommen hat, jedoch von unserem jetzigen Stand noch sehr weit
entfernt war. Selbst einfachste Worte, zumindest wenn man von unserem
Standpunkt ausgeht, waren damals nicht allen Menschen gebräuchlich und viele
dieser Wörter ließen einen breiten Raum für Diskussionen und Spekulationen.
Genau dieser Problematik war Luther sich bewusst, weshalb er den Pfarrern ein
kleines Hilfsbüchlein zur Verfügung stellte. Aus seiner eigenen Erfahrung als Visitator
wusste er, wie schlecht es um den Glauben in seiner Umgebung bestellt war, vor
allem über die Unkenntnis der Dorfbewohner in der Glaubenslehre. Durch den
Buchdruck mit beweglichen Lettern, der sich seit seiner Erfindung im 15.
Jahrhundert durch Gutenberg immer weiter ausbreitete, verhalf nicht nur der
Reformation von Martin Luther zum Erfolg, sondern diente ihm darüber hinaus.
Papier war zwar noch immer teuer, allerdings viel günstiger und mit weniger
Aufwand zu produzieren, als Pergament.
In
der Vorrede prangert Luther die Bischöfe an, welche die grundlegendsten
Glaubensfragen der einfachen Bevölkerung weitestgehend ignorierten. Diese
hatten vor Ort größere Autorität als der Papst im fernen Rom und waren zugleich
die Aufseher über eine große Gemeinde sowie ein weltlicher Herrschaftsträger.
Immer mehr Positionen und Machtbereiche machten die geistlichen hirten so für
sich geltend und nicht selten nutzten sie ihre Position aus, um die eigene
Familie und Freunde zu bereichern. Damit sollte nun Schluss sein, denn auch
Luther sah sie nur als Aufseher der Pfarrer, welcher mit ihnen gleichgestellt
war.
Seine
Kritik reichte noch weiter. Viele Visitatoren schreiben in ihren Berichten von
unwissenden Pfarrern, die sie vor Ort vorfanden. Manche waren nicht der
lateinischen Sprache mächtig, sondern interpretierten die Bibel frei heraus,
nach eigenem Gutdünken. Andere Pfarrer konnten zwar sehr gut lesen und
schreiben, manche von ihnen fanden jedoch zu großen Gefallen an den Worten und
der Sprache. Luther mahnte an, dass die einzelnen Predigten sich kaum
voneinander unterscheiden sollten. Die Sprache sollte einfach gehalten und auf
das Wesentliche konzentriert sein. Der Inhalt jede Predigt gleich, so dass sich
bei dem Pfarrer keine Fehler einschleichen und die Dorfbevölkerung seinen
Worten besser folgen konnten. Somit empfahl Luther also eine Standardisierung
einerseits, ließ den Pfarrern andererseits aber die Wahl, welchen Text sie
selbst für die beste Predigt hielten, da nur sie ihre christliche Herde
kannten.
Quelle:
Martin
Luther: Der kleine Katechismus.
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