Seit Gründung des
Deutschen Kaiserreiches 1871 gewann ein neuer Aspekt der Geschichtsforschung an
Bedeutung: Die Heimatgeschichte. Waren es zuvor hauptsächlich Juristen, die
sich mit der Geschichtsschreibung beschäftigten, wurde der Kreis der Forscher erheblich
größer. Allem voran schritten Lehrer und Pfarrer, die sich nun aufmachten, die
eigene Heimat einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Aber warum
eigentlich?
Die Antwort ist nicht
kompliziert, nur sehr vielfältig. Beginnen wir mit der einfachen Frage:
Wer
sind wir?
Sie denken
sicherlich: Na die Deutschen! Und schon haben wir uns eine Identität gegeben.
Doch das "Deutschtum" ist eine lose Konstruktion der aufkommenden
Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts. Preußen, Bayern, Sachsen, Schwaben... Diese
Aufzählung könnten wir nahezu endlos erweitern. Und doch wurden wir 1871 alle
zusammengefasst in einer Nation. Die Heimatforschung machte es sich zur
Aufgabe, alle losen Enden dieser Völkerschaften miteinander zu verknüpfen, so dass der Prototyp des "Deutschen"
gebildet werden sollte. Doch bleiben noch andere Identifikationsmöglichkeiten
übrig. Die Römer bezeichneten uns als Kelten oder Germanen, allerdings gab es
nie ein gemeinsames Volk. Stämme
verschiedener Personengruppen, mal größer, mal kleiner. Immer dann, wenn eine
Gemeinschaft gestärkt werden sollte und man nach einer gemeinsamen Identität
suchte, bot es sich an einen äußeren Feind zu erschaffen. Es war eine gute
Möglichkeit um innere Differenzen zu überbrücken, allerdings auch sehr
kurzsichtig.
Heimatforschung muss
man also stets im Kontext der Zeit und des Hintergrundes des Forschers sehen.
Ein katholischer Pfarrer schrieb anders als ein Nationalist. Die politischen
Gegensätze waren es, die den Konflikt in der Identitätsfrage verschärften. Sei
es Ostpreußen oder Elsass-Lothringen, beide Gebiete rufen heftige Debatten
hervor. Auch werden Rufe nach Rückforderungen oftmals noch immer laut. Zum
Glück sind diese Stimmen in der Minderheit. Denn wozu solch Undurchdachtes
führt, lehrt uns am besten die
Geschichte des 20. Jahrhunderts. Flucht, Vertreibung, Eroberung, Völkermord, Krieg, seit Mitte 1945 leben wir in Zentraleuropa
in Frieden. Dieser musste erst sehr teuer erkauft werden, von allen Europäern.
Das dürfen wir bei der Lektüre der Vergangenheit nie vergessen. Doch auch diese
extremen politischen Einfärbungen geben uns ein Bild über den Zeitgeist. Wenn
man zwischen den Zeilen liest und etwas Fantasie aufweist, ist es möglich die
Einstellung des jeweiligen Autors zu seiner Umgebung herauszufiltern.
Im Grunde genommen
haben wir alle einen Punkt der uns zusammenführt: Wir sind alle Menschen die
von anderen Menschen abstammen und die irgendwann einmal ein Einzeller in der
Ursuppe waren. Sprechen wir von dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik, so
waren wir schon immer eine multikulturelle Gesellschaft. Und all diese kleinen
Eigenheiten, die unsere Gesellschaft ausmachen sind doch erst die Würze, die
unser Leben interessant macht. Eine Kultur, die über alle anderen dominieren
würde, wäre auf Dauer sehr langweilig.
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