Sonntag, 23. Februar 2014

48. Beitrag - Auf nach Osten!

Zu der Zeit der Ersterwähnung Merseburgs im 9. Jahrhundert endeten die östlichen Grenzen des Reiches meist an Saale und Elbe. Flüsse waren natürliche Barrieren, welche das Land trennten. Es war eine Zeit, in der viele Menschen nicht schwimmen konnten, immerhin befand man sich die meiste Zeit an Land, weshalb also in die Fluten steigen? Um auf die andere Seite zu gelangen musste man ein Floß oder ein Boot nutzen, Brücken existierten nur in den seltensten Fällen. War keines der drei vorgenannten vorhanden, blieb noch die Furt. Bei ihnen handelt es sich um seichtere Stellen im Wasser, an denen eine Überquerung zu Fuß möglich ist. Solche Übergänge waren besonders wertvoll für Kaufleute, aber auch für ganze Heere.

Die Altenburg und die sich daran entwickelnde Stadt lagen an einer wichtigen Furt, welche wiederrum an einer Handelsstraße lag. Das Grenzland war allerdings keineswegs streng kontrolliert, geschweige denn waren beide Flussseiten voneinander hermetisch abgeriegelt. Es waren sprichwörtlich flüssige Übergänge. Die altmodische Vorstellung, dass Germanen auf der einen Seite und Slaven auf anderen lebten, ist längst überholt. Es gibt ja nicht einmal eine Antwort auf die Frage, was Germanen oder Slaven ausmachte.

Jetzt, im Jahr 900 war das Gebiet um Merseburg herum wahrscheinlich recht friedlich. Die östlich der Saale lebenden „heidnischen“ Sorben lebten vermutlich in einiger Harmonie mit den westlich der Saale lebenden Christen. Mit Absicht habe ich diese jetzt nicht als Germanen bezeichnet, denn es wäre sehr schwer zu beweisen. Multikulti ist keineswegs ein Phänomen der Moderne, bereits im europäischen Mittelalter war es gelebter Alltag. Doch Vorsicht, moderne Maßstäbe darf man nicht ansetzen, denn es kommt immer auf den Kontext an. Unsere heutige Welt ist dank moderner Kommunikations- und Transportmittel zu einem Dorf geworden.

Das Zeitalter der Nationalstaaten, welches im ausgehenden 18. Jahrhundert begann, ist nicht direkt mit den vielen kleinen Herrschaften und Völkern des europäischen Mittelalters zu vergleichen. Dennoch, für viele in Merseburg lebenden Bürger waren die Sorben sicherlich ebenso sonderbar, wie Franken, Flandern, oder Belger. Zusätzlich herrschte ein relativ großer Mix an Bräuchen, Traditionen und Formen der Religionsausübung. Man kann ja nicht einmal sagen, was die Sorben der damaligen Zeit definierte, immerhin gab es wahrscheinlich sogar erhebliche Unterschiede innerhalb derjenigen, die wir als Gruppe oder Volk bezeichnen.

Merseburg, Meißen und Zeitz waren drei der Ausgangspunkte für das, was sich im Verlauf des 10. Jahrhunderts zu einer großen Bewegung entwickeln sollte. Früher war es bekannt unter dem Namen Ostkolonisation, später dann Ostsiedlung. Doch die Begriffe waren umstritten, zumal es kaum den Vorgängen gerecht wurde. Ein treffenderer Name war der des Landesausbau. Große Gebiete östlich von Saale und Elbe waren unbesiedelt. Meist waren es nur kleine Dörfer und Weiler, welche die Landschaft ausmachten. Das was sich nun im Osten des Reiches anbahnte, schaffte man nur mit Hilfe derjenigen, die im Westen des Reiches lebten.

Samstag, 15. Februar 2014

47. Beitrag - Alles Gute zum Geburtstag!

Das die Mühlen der Bürokratie mitunter nur sehr schleppend mahlen, ist keineswegs ein Phänomen der Neuzeit. Doch selbst für die Epoche des Mittelalters scheinen 5 Jahre eine lange Zeit zu sein. Was aber war überhaupt geschehen?

Im Jahr 981 war es Bischof Giselher, welcher die Geschicke des Bistum Merseburg leitete. Es war auch das Jahr, in welchen der erste Erzbischof von Magdeburg, Adalbert war sein Name, verstarb. In seiner Chronik beschimpfte der vierte Merseburger Bischof Thietmar aufs übelste seinen Vorgänger, den zweiten Bischof. Giselher war es nämlich, welcher mit Hilfe des Kaisers nun nach Magdeburg wechselte und dort die Erzbischofswürde erhielt. Und was wurde aus Merseburg?

Das kleine Bistum hatte schnell an Bedeutung verloren. Immerhin lag es in einem Recht befriedetem Gebiet, die Grenzen waren mehr oder minder fest, zumindest war eine großflächige Ausdehnung nicht mehr möglich. Die Bistümer Zeitz und Meißen sowie das Erzbistum Magdeburg lagen direkt am Grenzland, was ihnen eine Expansion noch ermöglichte. Da Giselher nun wechselte, wurde beschlossen das kleine Bistum aufzulösen. Die Besitzungen verteilte man an die umliegenden Bistümer, so dass am Ende jeder sein Stück vom Kuchen bekam. Das Thietmar deswegen Frust auf Giselher schob, dürfte verständlich sein. Aber das war doch noch nicht das Ende?

Kurz vor der Jahrtausendwende, im Februar 999 beschloss man in Rom die Wiederherstellung von Merseburg als Bistum. Jedoch war es nun noch kleiner. Auch der fade Beigeschmack blieb, denn wo ein Bistum entstehen sollte, musste es schließlich auch Besitz kriegen. Die Ländereien jedoch, waren bereits vergeben.
Otto III. besaß die Macht, Ländereien neu zu vergeben und bestehende durch Tausch aufzuteilen. Anfang des Jahres 1002 verstarb er. Handelte es sich dabei um eine Gottesstraße, wie Thietmar es ausdrückte?

Die Vermutung liegt recht nahe, immerhin verstarb auch der in Ungnade gefallene Giselher im gleichen Monat wie Otto III., nur eben 2 Jahre später! Nun schreiben wir das Jahr 1004. Heinrich II. ist König des Heiligen Römischen Reiches. Er steckte seine Tatkraft in die Wiederherstellung des Bistums. Zunächst einmal bestätigte der König Merseburgs frühere Besitzungen, traf damit allerdings auf Widerstand aus den Reihen der anderen Bischöfe. Da er selbst über eigenen Besitz in der Gegen verfügte, nutzte er diesen für Tauschgeschäfte, so dass es ihm zu verdanken war, dass das Bistum Merseburg am Ende überhaupt einen Besitz vorweisen konnte.

Wann die genaue Wiederherstellung Merseburgs erfolgte, lässt sich nur schätzen. Vermutlich geschah dies irgendwann im Februar 1004. Es dauerte allerdings noch Wochen, bis die ganze Neuverteilung des Landes geregelt war. Ob man die gesamte Schuld Giselher anlasten sollte, muss jeder für sich beantworten. Er war ehrgeizig und wusste genau was er wollte. Das Merseburgs für die damalige Zeit an Bedeutung verlor, war nicht seine Schuld. Vielmehr muss man es als Opfer der eigenen geografischen Lage sehen, denn Frieden konnte schon damals schlecht für das Geschäft sein.

Dennoch sollte man sich die Stimmung nicht trüben lassen. Immerhin haben wir jetzt einen Grund zu sagen: Alles Gute zum 1010. Wiederherstellungsgeburtstag!

Quellen:
Kehr, Paul Fridolin: Das Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg

Rademacher, Otto: Die Merseburger Bischofschronik

Thietmar: Chronik

Sonntag, 9. Februar 2014

46. Beitrag - Wallfahrt und Pilger

Unberechenbares Wetter, Schlammpfade, Krankheiten, Räuber und vieles mehr... Die Pilger lebten gefährlich auf ihren Reisen, doch unternahmen sie diese trotzdem. Weshalb aber war es ihnen so wichtig, einen der drei großen Wallfahrtsorte aufzusuchen? Und gab es noch andere Zentren des Glaubens? Doch wann spricht man von einer Wallfahrt und was genau zeichnet einen Pilger eigentlich aus?

Eine Wallfahrt zeichnet sich durch verschiedene Dinge aus. Es beschreibt die gläubige Wanderung zu einem bestimmten Ziel. Dies können Naturdinge sein, wie z.B. Berge, Höhlen, Seen, ebenso aber auch Kunstgegenstände, also Statuen, Schreine, Bilder usw. Im Christentum gab und gibt es all diese Dinge, ebenso wie in verschiedenen anderen Religionen. Germanische, keltische und slavische Stämme verehrten überwiegend Dinge der Natur. Nahe Lützen, bei Schkeitbar soll es einen heiligen Hain gegeben haben, welcher Wigbert, dem späteren Bischof Merseburgs, zum Opfer fiel. Gerade solche Stätten waren es aber, die die Christen für sich einzusetzen wussten. Bei einer französischen Höhle war dies der Fall. Um sie herum baute man eine mächtige Abtei und verehrte sie als Engelsort: Mont-Saint-Michel.

Man versuchte Wunder- bzw. Gnadenorte zu schaffen, an denen die göttliche Kraft wirken sollte. Dies konnte in Form von Heilung geschehen oder als göttliche Vergebung für begangene Sünden. Um die Wirkung zu verstärken weihte man die heiligen Stätten meist mit Namen von Patronen, also heiliggesprochenen Menschen oder Engeln. Das europäische Christentum weißt somit sogar eine sehr große Nähe zu den polytheistischen Religionen auf, also der Vielgötterei.

Als Pilger oder auch Wallfahrer werden die Menschen bezeichnet, die auf eine Reise in die Fremde gehen, um die heiligen Orte zu besuchen. Dieses fromme Unterwegssein soll auf den Christen auch im Allgemeinen zutreffen, da sein ganzes Leben als Reise zu verstehen sei. Dabei bestand keine Pflicht wirkliche Reisen zu unternehmen, andererseits dachte man sich aber auch, dass es ja nicht schaden könne. Wir unterscheiden zwischen dem waffenlosen und der bewaffneten Pilgerfahrt.

Eigentlich sollte der Pilger in Frieden, also waffenlos, die Orte aufsuchen, die ihm göttliches Heil versprachen. Dazu unternahm dieser eine Reise, welche in geistig, wie religiös bilden sollte. Man lernte Land und Leute kennen, sah Eigenheiten und fremde Bräuche kennen. Die Glaubenserfahrung wurde vervielfältigt. Man wollte nicht schaden, sondern Buße tun und göttliches Heil erlangen.

Im krassen Gegensatz dazu steht allerdings die bewaffnete Wallfahrt. Uns am bekanntesten sind die Kreuzzüge, welche Heerscharen zu den Waffen greifen ließen, um sie gegen andere Religionen zu erheben. Nach der ersten Einnahme Jerusalems verübten die Kreuzfahrer ein Massaker unter der dort lebenden Bevölkerung. Von einer Heilssuche konnte man da wohl nicht mehr sprechen. Hinzu kommt, dass das vorherige Gleichgewicht der Religionen empfindlich gestört wurde und noch bis heute nachwirkt.

Quellen:

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen

Lexikon des Mittelalters Band VI und Band VIII

Sonntag, 2. Februar 2014

45. Beitrag - König Artus und Merseburg

Was haben der legendäre König Artus und das im Herzen Deutschlands gelegene Merseburg miteinander zu tun? Eigentlich nichts, doch genau wie die Briten besitzen auch die Merseburger eine eigene Legende rund um ein Schwert. Während es auf der Insel jedoch von einem Knappen aus einem Stein gezogen wurde, fand es bei uns ein Hirtenjunge beim Weiden seiner Herde.

„Eines Tages weidete ein Hirtenknabe seine Rinderherde auf den Feldern über der Saale. Da bemerkte er von ungefähr, daß ein Ochse am Bein blutete. Der Hirt ging zu dem Tier hin und sah dabei einen scharfen und harten Gegenstand aus der Erde hervorragen. Als er nachgrub, fand er ein großes Schwert, welches er dem finsteren und gewaltigen Hunnenkönig Attila verehrte, weil er meinte, daß das Schwert nur der Kriegsgott Mars früher haben besessen könne.“

Unweigerlich fallen bei dieser Sage 3 verschiedene Dinge auf:

1. Das Schwert - weist, wenn auch nur geringfügig, eine Parallele zu König Artus auf

2. Hunnenkönig Attila - es gibt zu ihm einige Legende aus dem Merseburger Land

3. Kriegsgott Mars - Laut der Bischofschronik verdankt Merseburg ihm den Namen 

Lösen wir die Sage einmal auf.

Das Schwert ist das Symbol für die Herrschaft in vielen Kulturen, überall auf der Welt. Der Erzengel Michael wird stets mit einem Schwert dargestellt. Als Gladius bekannt, war es die Hauptwaffe der Legionen Roms. Stammesführer, Häuptlinge und Fürsten wurde diese Waffe mit in das Grab gelegt. Während es hierzulande im Mittelalter ein Symbol für den Ritterstand war, verehrte man in Japan die Schwertkunst fast schon religiös, ähnlich wie in China gab es zudem heilige Schwerter. Uns bekannt ist Excalibur, jenes Schwert, welches die Herrin vom See Artus überreichte. Allgemein kann man Schwerter als Zeichen von Vitalität sehen, aber auch als Schutzsymbol. Es sollte die Schwachen verteidigen, trotzdem führten es meist nur die Mächtigen. Zudem war es ein Instrument der Scharfrichter.

Der Hunnenkönig Attila darf natürlich nicht im Mythos von Merseburg fehlen, immerhin ist er so legendär, dass die meisten Menschen ihn wahrscheinlich unter dem Namen Etzel aus dem Nibelungenlied kennen. Ob es dagegen jemals Hunnen in unserer Region gab, bleibt fraglich. Denn was genau sind Hunnen eigentlich? Die Forschung zerbricht sich seit Jahrzehnten darüber den Kopf. Übereinstimmend kann man jedoch sagen, dass es sich bei ihnen um ein Reitervolk handelt, sei es aus den asiatischen Steppen oder den Gebieten des Nahen Ostens. So waren es schließlich ja die berittenen Truppen der Ungarn, welche Angst und Schrecken in Sachsen und Bayern verbreiteten. Somit wurde also eine mythische Brücke geschaffen, ein epischer Kampf quasi zwischen dem deutschen König Heinrich und den blutrünstigen hunnischen Horden Attilas. Sicherlich erkennen Sie bereits am Tonfall des Geschriebenen, wie einfach es sein kann, eine geschichtliche Überhöhung zu erfinden, nur um einen Beweis für seine These zu finden.

Kein geringer als Gaius Iulius Caesar war der Gründer Merseburgs. In der Merseburger Bischofschronik war es der römische Feldherr, der mit seinen Legionen die Germanien durchquerte, an die Altenburg gelangte und sich durch die Festung auf dem Hügel herausgefordert fühlte. Seine Versuche sich diese mit Gewalt zu nehmen, schlugen fehl. Also schlossen beide Seiten Frieden und als Zeichen des gewaltigen Respektes Caesars gründete der Römer kurzerhand die Stadt Merseburg und ließ ein Heiligtum des Mars errichten. Okay, zugegebener Maßen ist dies natürlich völliger Blödsinn, die Idee dahinter aber, den Namen Merseburgs
- Mars Burg oder Burg des Mars - abzuleiten war gar nicht mal unbedacht. Das Bistum selbst war nun einmal sehr klein und von allen anderen umschlossen. Es gab keine Möglichkeit sich auszubreiten und nachdem das Bistum bereits einmal aufgelöst worden war, schwebte die Vorstellung so etwas wieder erleben zu müssen ständig über den Köpfen der Bischöfe. Umso besser also, wenn man mit dem großen Erzbistum Trier mithalten konnte, zumindest was den Zeitpunkt und den Grund der Gründung betraf.

Stellen Sie sich zudem die Frage: Was klingt besser?

a) Merseburg - Wurde benannt nach dem römischen Kriegsgott Mars

oder

b) Merseburg - bedeutet in etwas so viel, wie „mitten im Wald gelegen“

Wie Sie sehen, kann eine kleine Geschichte vieles über das psychologische Selbstverständnis einer ganzen Region berichten. Ein Schwert, gefunden von einem Hirtenjunge, welches anschließend von einem großen (Hunnen-)König stammte, anschließend durch die europäischen Könighäuser wanderte und schlussendlich verschwand. Wohin?, fragen Sie sich sicherlich. Doch dies vermag niemand mehr zu berichten.

Quellen:

Hans Biedermann: Lexikon der Symbole

Walter Saal: Sagen der Region Merseburg