Sonntag, 21. Juni 2015

105. Beitrag - Die Anfänge des Steuerwesens



Wir kennen viele verschiedene Arten der Steuern, doch die für uns Bedeutsamste dürfte die Mehrwertsteuer sein. Während Steuern in früheren Zeiten vornehmlich dazu dienen sollten die Kassen der Fürsten zu füllen, dienen sie heute eigentlich dem Allgemeinwesen. Die genaue Definition lautet folgende:

Steuerbegriff Abgabenordnung §3 (1)

„Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“

Natürlich sind meine einleitenden Worte ein wenig zu kurz gefasst für ein Thema, das viele Menschen mit Schrecken verfolgt. Oft genug erleben wir, wie Steuern nicht dem Allgemeinwesen, sondern nur dem Prestige einzelner Menschen zu Gute kommen. Nichts desto weniger ist es aber ein spannendes Thema, von seinen Wurzeln bis in unsere Zeit.

Römische Antike

Doch beginnen wir zunächst im antiken Rom. Als die Stadt noch Republik war, gab es kein Steuerwesen im heutigen Sinn. Zur Steuererhebung kam es nur in Krisenzeiten. Doch je mehr die Stadt Rom begann zu expandieren und zu einer Weltmacht zu werden, desto wichtiger wurde eine effiziente öffentliche Verwaltung. Steuern einzutreiben oblag den sogenannten Zensoren. Diese wurden alle 5 Jahre gewählt und ihre Amtszeit betrug 18 Monate. In der Regel entstammten die Zensoren den Reihen der Konsuln, also der elitären Klasse Roms. Der Name ihres Amtes leitete sich von dem lateinischen censere ab, was so viel wie schätzen oder mustern bedeutete. Bei vielen Dingen, die die Römer angingen, zeigte sich ebenso auf dem Gebiet der Steuern ihre beinahe schon unheimliche Effizienz. Die Zensoren fertigten zunächst Bürgerlisten an und teilten sie in Hundertschaften, den Zenturien, ein. Die Grundlage dieser Einteilung bildeten die vorher festgelegten Bezirke, welche unter dem Namen tribus bekannt waren. Dabei erfüllten diese Musterungen und Schätzungen verschiedene Funktionen. Sie bildeten zum einem die Grundlage der Heeresordnung, dienten der Unterteilung der wichtigsten Volksversammlung und eben auch dem nicht zu unterschätzendem Steuerwesen. Jedoch endete damit der Einfluss der Zensoren keineswegs. Ihnen kam weiterhin die Aufgabe zu Teil, die Sitten und die Lebensführung der Bürger zu überwachen. Stellen Sie sich einfach vor, Ihre Steuererklärung müssten Sie stets mit einem aktuellen polizeilichen Führungszeugnis und einer persönlichen Einschätzung, angefertigt von Ihren Nachbarn, abgeben.

Gefiel den Zensoren etwas nicht, blieben ihnen einige Möglichkeiten um ihren Einfluss auf die Bürger durchzusetzen. Durch eine höhere Schätzung des Vermögens erhöhte sich die Steuerlast des Betroffenen. Oder  vermerkten eine Rüge in den Bürgerlisten. Was sich im ersten Moment nicht dramatisch anhört, konnte weitreichende Konsequenzen haben. Ausschluss aus dem Ritterstand und Zwangsumsiedlung waren die Folge. Für einige Jahrhunderte durften sie sogar Senatoren ernennen und auch wieder entlassen, wenn diese sich moralisch verwerflich verhielten. Doch so drastisch manche Maßnahmen waren, beim nächsten Zensus konnten alle Auflagen wieder aufgehoben werden. Weiterhin überwachten die Zensoren den Staatshaushalt Roms. Darunter zählten Zölle, Pacht- und Verkaufserlöse, Strafgelder, Kriegsbeute und auch die Veräußerung von staatlichen Eigentum, damit die Staatsausgaben für das Heer, die Verwaltung, dass Sozialwesen und die Religion sinnvoll eingesetzt wurden. Doch selbst ihre Machtbefugnisse waren begrenzt. Die Staatskasse befand sich in den Händen der Quästoren und die eigentliche Verfügungsgewalt oblag den Konsuln und dem Senat selbst.

Das Steuerwesen änderte sich mit der Regierungsform. Der Senat war für die Getreideversorgung Roms zuständig. Seit Julius Cäsar jedoch, lag diese Verantwortung faktisch bei dem jeweiligen Kaiser. Die Ausgaben für das Volk waren keine Sache des Staates mehr, sondern die der Herrscher. Gleiches galt für die Einnahmen. Die Folge: Neue Steuern wurden eingeführt.


Das deutsche Mittelalter

Machen wir einen Sprung in die nächste Epoche: Das Mittelalter. Nach dem Zerfall des römischen Reiches suchte man etwas wie feste Verwaltungsstrukturen vergeblich. Sicherlich gab es noch Herrscher mit ihren jeweiligen Hofhaltungen, etwas vergleichbares wie das römische Imperium jedoch gab es nicht mehr in unserem Teil der Welt.

Zunächst einmal zur Definition:

„Steuern sind eine einmalige oder laufende Geldleistung, die von einer Herrschaft von den ihr Unterstellten zur Erzielung von Einkünften erhoben wird, um ihren herrschaftlichen Auftrag gerecht werden zu können. Sie begründet keinen Anspruch der Entrichtenden auf eine bestimmte Gegenleistung des Empfängers ihnen gegenüber.“

Einen festen Steuerbegriff jedoch kannte man nur selten. Im Prinzip zählte alles darunter, womit sich Geld machen ließ. Es gab Regalien, wie Berg- oder Salzregale, Einnahmen aus dem Lehnswesen, Zölle und was nicht unwesentlich zur Bereicherung Beitrug: Gerichtsfälle. In verschiedenen Gesetzestexten erfährt man einiges über die Mentalität des Gerichtswesens. Strafen und die daraus resultierenden Geldbußen konnten ein beträchtliches Ausmaß annehmen. Im salischen Landrecht beispielsweise, heißt es, dass wer einen freien Mann unschuldig in Abwesenheit des Königs anklagt, müsse zur Strafe 2500 Pfennige zahlen. Zum Vergleich: Der Diebstahl eines Schwanes kostete 120 Pfennige, für eine Körperverletzung waren 240 Pfennige fällig. Richtig teuer und natürlich auch lohnenswert war Mord mit Vertuschung, sofern der zahlende Schuldige gefunden wurde. Die Strafe dafür betrug 72.000 Pfennige! Natürlich muss man bedenken, dass nur freie Menschen ein Recht auf Geldbuße hatten. Für alle anderen hieß es Körperstrafe oder Tod.

Die Herrscher stützten sich bis ins 13. Jahrhundert vor allem auf den Abgaben der unfreien Bevölkerung bzw. deren Grundherrschaften. Da es keinen zentralen Herrschaftsbereich gab, Könige und Kaiser also quasi ständig auf Reisen waren und umher zogen, finanzierten sie sich quasi direkt dort, wo wie Hoftag hielten. Jeder noch so kleine Herrscher kochte sein eigenes Süppchen und das Steueraufkommen war recht unübersichtlich. Hinzu kamen die ganzen kirchlichen Würdenträger, die weitestgehend durch den sogenannten Zehnt oder Zins finanziert wurden. Steuern wie wir sie kennen, setzen ein festes Staatswesen voraus. Die politische Struktur des Heiligen Römischen Reiches ließ dies nicht zu. Vielmehr existierten teils bis ins 18. und 19. Jahrhundert Naturalabgaben. Einzige Ausnahme hierbei waren die Städte. Außerhalb dieser stützte sich der Adel auf die Arbeit der Bauern. Sie versorgten die örtlichen Kirchen und deren Würdenträger, ebenso wie den Grundherrn. 

Eine Besonderheit, die Antike und Mittelalter gemein haben, sei noch erwähnt. Die sogenannten Steuerpächter. In Rom war es möglich, dass Recht Steuern einzutreiben, sich zu erkaufen. So geschah es vor allem in den Provinzen. Die Reiche Oberschicht konnte sich den Titel eines Statthalters teuer erkaufen und hatte dafür das Recht, sich sein Geld in der jeweiligen Provinz wieder einzutreiben. Dabei sollte dieser nach Möglichkeit maßvoll vorgehen, was jedoch nicht davon abhielt, auch einfach mal zu plündern. Im Mittelalter gab es ähnliche Vorgänge. Kurz zur vereinfachten Erklärung: Herrscher, wie Bischöfe, Kaiser, Könige und andere Landesherren verfügten über gewisse Rechte, wie dem Münzen prägen oder einen bestimmten Rohstoff abbauen zu lassen. War der Besitzer der Rechte gerade klamm bei Kasse, verlieh er die Rechte auf bestimmte Zeit und kassierte dafür im Vorhinein eine größere Summe.

Quellen:

Res Romanae

Lex Salica

Lexikon des Mittelalters

http://www.imperiumromanum.com/wirtschaft/geld/steuern_steuerarten_01.htm

Wir kennen viele verschiedene Arten der Steuern, doch die für uns Bedeutsamste dürfte die Mehrwertsteuer sein. Während Steuern in früheren Zeiten vornehmlich dazu dienen sollten die Kassen der Fürsten zu füllen, dienen sie heute eigentlich dem Allgemeinwesen. Die genaue Definition lautet folgende:

Steuerbegriff Abgabenordnung §3 (1)

„Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“

Natürlich sind meine einleitenden Worte ein wenig zu kurz gefasst für ein Thema, das viele Menschen mit Schrecken verfolgt. Oft genug erleben wir, wie Steuern nicht dem Allgemeinwesen, sondern nur dem Prestige einzelner Menschen zu Gute kommen. Nichts desto weniger ist es aber ein spannendes Thema, von seinen Wurzeln bis in unsere Zeit.

Römische Antike

Doch beginnen wir zunächst im antiken Rom. Als die Stadt noch Republik war, gab es kein Steuerwesen im heutigen Sinn. Zur Steuererhebung kam es nur in Krisenzeiten. Doch je mehr die Stadt Rom begann zu expandieren und zu einer Weltmacht zu werden, desto wichtiger wurde eine effiziente öffentliche Verwaltung. Steuern einzutreiben oblag den sogenannten Zensoren. Diese wurden alle 5 Jahre gewählt und ihre Amtszeit betrug 18 Monate. In der Regel entstammten die Zensoren den Reihen der Konsuln, also der elitären Klasse Roms. Der Name ihres Amtes leitete sich von dem lateinischen censere ab, was so viel wie schätzen oder mustern bedeutete. Bei vielen Dingen, die die Römer angingen, zeigte sich ebenso auf dem Gebiet der Steuern ihre beinahe schon unheimliche Effizienz. Die Zensoren fertigten zunächst Bürgerlisten an und teilten sie in Hundertschaften, den Zenturien, ein. Die Grundlage dieser Einteilung bildeten die vorher festgelegten Bezirke, welche unter dem Namen tribus bekannt waren. Dabei erfüllten diese Musterungen und Schätzungen verschiedene Funktionen. Sie bildeten zum einem die Grundlage der Heeresordnung, dienten der Unterteilung der wichtigsten Volksversammlung und eben auch dem nicht zu unterschätzendem Steuerwesen. Jedoch endete damit der Einfluss der Zensoren keineswegs. Ihnen kam weiterhin die Aufgabe zu Teil, die Sitten und die Lebensführung der Bürger zu überwachen. Stellen Sie sich einfach vor, Ihre Steuererklärung müssten Sie stets mit einem aktuellen polizeilichen Führungszeugnis und einer persönlichen Einschätzung, angefertigt von Ihren Nachbarn, abgeben.

Gefiel den Zensoren etwas nicht, blieben ihnen einige Möglichkeiten um ihren Einfluss auf die Bürger durchzusetzen. Durch eine höhere Schätzung des Vermögens erhöhte sich die Steuerlast des Betroffenen. Oder  vermerkten eine Rüge in den Bürgerlisten. Was sich im ersten Moment nicht dramatisch anhört, konnte weitreichende Konsequenzen haben. Ausschluss aus dem Ritterstand und Zwangsumsiedlung waren die Folge. Für einige Jahrhunderte durften sie sogar Senatoren ernennen und auch wieder entlassen, wenn diese sich moralisch verwerflich verhielten. Doch so drastisch manche Maßnahmen waren, beim nächsten Zensus konnten alle Auflagen wieder aufgehoben werden. Weiterhin überwachten die Zensoren den Staatshaushalt Roms. Darunter zählten Zölle, Pacht- und Verkaufserlöse, Strafgelder, Kriegsbeute und auch die Veräußerung von staatlichen Eigentum, damit die Staatsausgaben für das Heer, die Verwaltung, dass Sozialwesen und die Religion sinnvoll eingesetzt wurden. Doch selbst ihre Machtbefugnisse waren begrenzt. Die Staatskasse befand sich in den Händen der Quästoren und die eigentliche Verfügungsgewalt oblag den Konsuln und dem Senat selbst.

Das Steuerwesen änderte sich mit der Regierungsform. Der Senat war für die Getreideversorgung Roms zuständig. Seit Julius Cäsar jedoch, lag diese Verantwortung faktisch bei dem jeweiligen Kaiser. Die Ausgaben für das Volk waren keine Sache des Staates mehr, sondern die der Herrscher. Gleiches galt für die Einnahmen. Die Folge: Neue Steuern wurden eingeführt.


Das deutsche Mittelalter

Machen wir einen Sprung in die nächste Epoche: Das Mittelalter. Nach dem Zerfall des römischen Reiches suchte man etwas wie feste Verwaltungsstrukturen vergeblich. Sicherlich gab es noch Herrscher mit ihren jeweiligen Hofhaltungen, etwas vergleichbares wie das römische Imperium jedoch gab es nicht mehr in unserem Teil der Welt.

Zunächst einmal zur Definition:

„Steuern sind eine einmalige oder laufende Geldleistung, die von einer Herrschaft von den ihr Unterstellten zur Erzielung von Einkünften erhoben wird, um ihren herrschaftlichen Auftrag gerecht werden zu können. Sie begründet keinen Anspruch der Entrichtenden auf eine bestimmte Gegenleistung des Empfängers ihnen gegenüber.“

Einen festen Steuerbegriff jedoch kannte man nur selten. Im Prinzip zählte alles darunter, womit sich Geld machen ließ. Es gab Regalien, wie Berg- oder Salzregale, Einnahmen aus dem Lehnswesen, Zölle und was nicht unwesentlich zur Bereicherung Beitrug: Gerichtsfälle. In verschiedenen Gesetzestexten erfährt man einiges über die Mentalität des Gerichtswesens. Strafen und die daraus resultierenden Geldbußen konnten ein beträchtliches Ausmaß annehmen. Im salischen Landrecht beispielsweise, heißt es, dass wer einen freien Mann unschuldig in Abwesenheit des Königs anklagt, müsse zur Strafe 2500 Pfennige zahlen. Zum Vergleich: Der Diebstahl eines Schwanes kostete 120 Pfennige, für eine Körperverletzung waren 240 Pfennige fällig. Richtig teuer und natürlich auch lohnenswert war Mord mit Vertuschung, sofern der zahlende Schuldige gefunden wurde. Die Strafe dafür betrug 72.000 Pfennige! Natürlich muss man bedenken, dass nur freie Menschen ein Recht auf Geldbuße hatten. Für alle anderen hieß es Körperstrafe oder Tod.

Die Herrscher stützten sich bis ins 13. Jahrhundert vor allem auf den Abgaben der unfreien Bevölkerung bzw. deren Grundherrschaften. Da es keinen zentralen Herrschaftsbereich gab, Könige und Kaiser also quasi ständig auf Reisen waren und umher zogen, finanzierten sie sich quasi direkt dort, wo wie Hoftag hielten. Jeder noch so kleine Herrscher kochte sein eigenes Süppchen und das Steueraufkommen war recht unübersichtlich. Hinzu kamen die ganzen kirchlichen Würdenträger, die weitestgehend durch den sogenannten Zehnt oder Zins finanziert wurden. Steuern wie wir sie kennen, setzen ein festes Staatswesen voraus. Die politische Struktur des Heiligen Römischen Reiches ließ dies nicht zu. Vielmehr existierten teils bis ins 18. und 19. Jahrhundert Naturalabgaben. Einzige Ausnahme hierbei waren die Städte. Außerhalb dieser stützte sich der Adel auf die Arbeit der Bauern. Sie versorgten die örtlichen Kirchen und deren Würdenträger, ebenso wie den Grundherrn. 

Eine Besonderheit, die Antike und Mittelalter gemein haben, sei noch erwähnt. Die sogenannten Steuerpächter. In Rom war es möglich, dass Recht Steuern einzutreiben, sich zu erkaufen. So geschah es vor allem in den Provinzen. Die Reiche Oberschicht konnte sich den Titel eines Statthalters teuer erkaufen und hatte dafür das Recht, sich sein Geld in der jeweiligen Provinz wieder einzutreiben. Dabei sollte dieser nach Möglichkeit maßvoll vorgehen, was jedoch nicht davon abhielt, auch einfach mal zu plündern. Im Mittelalter gab es ähnliche Vorgänge. Kurz zur vereinfachten Erklärung: Herrscher, wie Bischöfe, Kaiser, Könige und andere Landesherren verfügten über gewisse Rechte, wie dem Münzen prägen oder einen bestimmten Rohstoff abbauen zu lassen. War der Besitzer der Rechte gerade klamm bei Kasse, verlieh er die Rechte auf bestimmte Zeit und kassierte dafür im Vorhinein eine größere Summe.

Quellen:

Res Romanae

Lex Salica

Lexikon des Mittelalters

http://www.imperiumromanum.com/wirtschaft/geld/steuern_steuerarten_01.htm

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/83/Zehnt_Bauern.png/440px-Zehnt_Bauern.png

Sonntag, 24. Mai 2015

104. Beitrag - Die Schule des 16. Jahrhunderts

Wie können wir uns den Unterricht im 16. Jahrhundert im Merseburger Land vorstellen? 

Feste Stundenpläne, wie wir sie heute kennen, existierten damals nicht. Es gab auch keine Fächer, die flächenmäßig angeboten wurden. Auf dem Programm standen zunächst einmal die grundlegenden Dinge, also lesen und schreiben. Weiterhin gab es Unterricht im Katechismus, der Unterweisung des christlichen Glaubens. Hinzu kamen noch Bibellehre, christliche Gesänge, beten und sogar Latein! Dies ist insofern interessant, da man die Sprache der Gelehrten sonst eigentlich nur in höheren Stadtschulen unterrichtete.

Heutzutage ist Bildung ein hohes Gut, damals sah man die Sache etwas anders. In den Quellen wurde von den Küstern und Pfarrern oft beklagt, dass die Eltern ihre Kinder nicht regelmäßig zur Schule schickten und auch viele Kinder sehr faul waren. Die beste Zeit, für den Unterricht stellte dabei der Winter dar, denn im Frühling und Sommer wurden die Kinder mit in die Arbeit der Eltern eingebunden. Mancherorts ging es soweit, dass überhaupt keine Schule stattfand. Die Schuld einzig und allein den Eltern zu geben, wäre allerdings ungerecht. Die Familie musste von dem Leben, was diese selbst erzeugte, weshalb man nicht die Notwendigkeit einer guten Bildung sah. Selbst wenn Religion die Seele nährte, blieb der Magen dennoch leer. Fand man dann noch den Küster öfter betrunken in der Schenke, als strebsam in der Kirche vor, tat dies wohl ihr übriges. Solch einen ständig betrunken Küster sah man wohl, laut offiziellen Kirchenprotokollen, in Großgöhren. Heißt das etwa, dass die Bauern allesamt ungebildet waren? Wohl kaum, denn immerhin gab es sogar den Fall, dass ein Bauer in Großwiederitzsch die Aufgaben des Küsters wahrnahm, also auch die des Unterrichtens. Erschwert wurden die Bedingungen vielerorts, da kein Schuldgebäude existierte und der Unterricht, vor allem an Schlechtwettertagen und während des Winters in der Wohnstube des Küsters abgehalten werden musste. Und dort wo keine Schule stattfand, gab es manchmal keinen Schuldigen. Die Pest raffte viele Menschen dahin, vor allem die Kinder.

Eine Wachstafel mit Schreibgriffel, wie sie in ähnlichen Ausführungen durch die Jahrhunderte existierte.
Ein weiteres großes Problem war, dass der Unterrichtsstoff nur schwer gelernt werden konnte, dafür aber umso schneller wieder vergessen wurde. Dies ist kein Wunder, zumal wir die Schulmaterialien bedenken müssen. Bücher waren sehr wertvoll, denn so manche Dorfbibliothek bestand lediglich aus gerade einmal drei bis vier Büchern! Schulmaterialien gab es keine, zumindest auf den Dörfern. Papier war noch teuer und Pergament für die Bauern unbezahlbar. Tinte oder Kreide? Fehlanzeige. Wahrscheinlich ist, dass mehrere Kinder gleichzeitig in den wenigen Büchern lasen bzw. diese Vorlesen mussten. Der gesamte Lehrstoff war auswendig zu lernen. War man länger nicht anwesend, war es kein Wunder, dass die Kinder den Unterrichtsstoff vergaßen.

Ach ja, falls Sie einmal nach einer originellen Ausrede suchen, weshalb Ihr Kind den Unterricht nicht besuchen kann, schauen Sie sich einfach einen Grund aus dem
16. Jahrhundert ab. Es war nicht unüblich, dass die Kinder statt ihrer Lektionen die Kühe und Gänse hüten mussten. Zwar ist es in Zeiten der Schulpflicht kein Argument, dass Kind daheim zu lassen, doch vielleicht zaubern Sie ein Lächeln auf das Gesicht eines Geschichtslehrers, der sich für sein Fach mit Leidenschaft interessiert und die Anspielung hoffentlich auch versteht.

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Bildquelle:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Wachstafel.jpg