Sonntag, 24. Mai 2015

104. Beitrag - Die Schule des 16. Jahrhunderts

Wie können wir uns den Unterricht im 16. Jahrhundert im Merseburger Land vorstellen? 

Feste Stundenpläne, wie wir sie heute kennen, existierten damals nicht. Es gab auch keine Fächer, die flächenmäßig angeboten wurden. Auf dem Programm standen zunächst einmal die grundlegenden Dinge, also lesen und schreiben. Weiterhin gab es Unterricht im Katechismus, der Unterweisung des christlichen Glaubens. Hinzu kamen noch Bibellehre, christliche Gesänge, beten und sogar Latein! Dies ist insofern interessant, da man die Sprache der Gelehrten sonst eigentlich nur in höheren Stadtschulen unterrichtete.

Heutzutage ist Bildung ein hohes Gut, damals sah man die Sache etwas anders. In den Quellen wurde von den Küstern und Pfarrern oft beklagt, dass die Eltern ihre Kinder nicht regelmäßig zur Schule schickten und auch viele Kinder sehr faul waren. Die beste Zeit, für den Unterricht stellte dabei der Winter dar, denn im Frühling und Sommer wurden die Kinder mit in die Arbeit der Eltern eingebunden. Mancherorts ging es soweit, dass überhaupt keine Schule stattfand. Die Schuld einzig und allein den Eltern zu geben, wäre allerdings ungerecht. Die Familie musste von dem Leben, was diese selbst erzeugte, weshalb man nicht die Notwendigkeit einer guten Bildung sah. Selbst wenn Religion die Seele nährte, blieb der Magen dennoch leer. Fand man dann noch den Küster öfter betrunken in der Schenke, als strebsam in der Kirche vor, tat dies wohl ihr übriges. Solch einen ständig betrunken Küster sah man wohl, laut offiziellen Kirchenprotokollen, in Großgöhren. Heißt das etwa, dass die Bauern allesamt ungebildet waren? Wohl kaum, denn immerhin gab es sogar den Fall, dass ein Bauer in Großwiederitzsch die Aufgaben des Küsters wahrnahm, also auch die des Unterrichtens. Erschwert wurden die Bedingungen vielerorts, da kein Schuldgebäude existierte und der Unterricht, vor allem an Schlechtwettertagen und während des Winters in der Wohnstube des Küsters abgehalten werden musste. Und dort wo keine Schule stattfand, gab es manchmal keinen Schuldigen. Die Pest raffte viele Menschen dahin, vor allem die Kinder.

Eine Wachstafel mit Schreibgriffel, wie sie in ähnlichen Ausführungen durch die Jahrhunderte existierte.
Ein weiteres großes Problem war, dass der Unterrichtsstoff nur schwer gelernt werden konnte, dafür aber umso schneller wieder vergessen wurde. Dies ist kein Wunder, zumal wir die Schulmaterialien bedenken müssen. Bücher waren sehr wertvoll, denn so manche Dorfbibliothek bestand lediglich aus gerade einmal drei bis vier Büchern! Schulmaterialien gab es keine, zumindest auf den Dörfern. Papier war noch teuer und Pergament für die Bauern unbezahlbar. Tinte oder Kreide? Fehlanzeige. Wahrscheinlich ist, dass mehrere Kinder gleichzeitig in den wenigen Büchern lasen bzw. diese Vorlesen mussten. Der gesamte Lehrstoff war auswendig zu lernen. War man länger nicht anwesend, war es kein Wunder, dass die Kinder den Unterrichtsstoff vergaßen.

Ach ja, falls Sie einmal nach einer originellen Ausrede suchen, weshalb Ihr Kind den Unterricht nicht besuchen kann, schauen Sie sich einfach einen Grund aus dem
16. Jahrhundert ab. Es war nicht unüblich, dass die Kinder statt ihrer Lektionen die Kühe und Gänse hüten mussten. Zwar ist es in Zeiten der Schulpflicht kein Argument, dass Kind daheim zu lassen, doch vielleicht zaubern Sie ein Lächeln auf das Gesicht eines Geschichtslehrers, der sich für sein Fach mit Leidenschaft interessiert und die Anspielung hoffentlich auch versteht.

Quelle:

Friedensburg: Die Protokolle der Kirchenvisitationen im Stift Merseburg von 1562 und 1578.

Bildquelle:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Wachstafel.jpg 

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