Samstag, 18. Mai 2013

8. Beitrag - Ein Käfig voller Raben


Hat die Stadt Merseburg ein hausgemachtes Imageproblem? Die Rede ist heute vom Merseburger Raben. Viel wurde über ihn geschrieben. Sehen kann man ihn, Pardon, die Raben im Merseburger Schlosshof. Bei den Einwohnern der Stadt selbst ist die Geschichte wohlbekannt, aber für alle, die nicht wissen was es mit dem legendären Raben auf sich hat, möchte ich einen kleinen Einblick geben. Aus diesem Grund möchte ich Walter Saal in Auszügen zitieren, der die Geschichte des Raben niederschrieb:

„In der Zeit des Übergangs vom 15. zum 16. Jahrhundert lebte in Merseburg an der Saale ein Bischof namens Thilo von Trotha. Das war ein gar jähzorniger Herr, zumal wenn ihm eine Widerwärtigkeit die gute Laune verdorben hatte. - Das geschah aber auch einstmals auf der Jagd [...]
Nun besaß der Bischof einen goldenen Siegelring, der ihm als Geschenk seines Freundes, des Bischofs von Naumburg, besonders wert und teuer war und den er in einem besonderen Kästchen aufzubewahren pflegte. [...]“

Am Morgen vor der Jagd vergaß der Bischof allerdings das Kästchen abzuschließen. Und dabei stand es ausgerechnet am offenen Fenster. Es geschah, was geschehen musste. Am Abend war der Ring verschwunden. Sein greiser Diener wurde sofort verdächtigt und trotz aller Unschuldsbeteuerungen eingesperrt. Ein Jäger namens Ulrich hatte mit dem Diener Johannes noch eine Rechnung offen, so dass er einem Raben die Worte „Hans-Dieb“ beibrachte. Das Verhängnis nahm seinen Lauf:

„[...] Als der Rabe nun auf einmal diese Worte im Schloßhof plärrte, glaubte jeder des abergläubischen Volkes, daß hier Gottes Stimme sprach, auch der Bischof selbst. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde der alte Diener Johannes nach dem strengen Gesetz der damaligen Zeit zum Tod durch das Schwert verurteilt. [...]“

Viele Jahre später, nach einem heftigen Sturm, musste das Dach eines der Türme repariert werden. Unter den abgedeckten Schindeln kam ein Rabennest zum Vorschein. In diesem befand sich der „gestohlene“ Ring.

„[...] Auch ließ er vor dem Schlosse einen Käfig aufstellen, in den der Rabe gebracht wurde und der noch heute darin zu sehen ist und auch weiterhin zum ewigen Gedächtnis zu sehen sein wird, damit nie wieder im Jähzorn ein falsches Urteil gefällt wird. [...]“ 




Aus diesem Grund sollen uns die Raben noch heute mahnen. Haben die Raben diesen schlechten Ruf verdient? Mitnichten! Die Familie der Raben und Krähen zählt zu den intelligentesten Spezies überhaupt. Werkzeuge „bauen“ und nutzen sind dabei nicht einmal ihre außergewöhnlichsten Fähigkeiten. Sie können kleine Stöcke benutzen, um besser an ihr Futter zu gelangen. Zudem sind sie in der Lage Drahtstücke so zu verbiegen, dass sie damit nach ihrem Futter „angeln“ können.
Sie erkennen also selbstständig Probleme und wissen, wie sie diese zu lösen haben.

Sollten Sie etwas Zeit haben, schauen Sie sich bitte das Video über Krähen auf der folgenden Seite an (Link). Sie werden erstaunt sein!

In unserem Kulturkreis steht der Rabe für viele schlechte Eigenschaften. Sie alle kennen Begriffe wie „Unglücksrabe“, „Rabeneltern“ oder „rabenschwarzer Tag“. In der griechischen Antike galt der Rabe als Schwätzer. Deshalb tauschte die Göttin Athene ihn gegen eine Eule aus. Auch durften sie nicht in der Nähe von Gebärenden sein, da diese dann eine schwere Geburt vor sich hätten. Wegen seiner Stimme sei er ein Unglücksbote. Im Christentum ist der Rabe negativ behaftet und steht für den unwilligen Ungetauften. Er kündige Krankheit, Krieg und Tod an, immerhin drei der Apokalyptischen Reiter!
Der Rabe gilt als fehlerhaft, diebisch und der „düsteren“ Seite der Psyche nahe.

Der Rabe muss rehabilitiert werden! Bei den Wikingern galten die Raben Hugin und Munin als Odins Begleiter, die ihn über alle Vorgänge in der Welt unterrichteten. In christlichen Heiligengeschichten tritt er als Beschützer auf, in China war ein dreibeiniger mit der Sonne gleichgesetzt. Bei vielen indianischen Stämmen besaß der Rabe zwar einige negative Eigenschaften, die positiven Eigenschaften überwiegen aber. So war der Rabe in einigen Mythen an der Erschaffung der Welt beteiligt.


In ganz Deutschland gibt es Sagen und Märchen, bei denen der Rabe negativ belegt ist. Es scheint aber ein zwiespältiges Verhältnis zu sein. Das Gute und das Schlechte bleiben im Gleichgewicht. Früher sah man Raben und Krähen als verwandelte Hexen an, heute begeistert der Kleine Rabe Socke unsere Jüngsten und hilft ihnen beim Lernen. Wir Menschen wissen selbst nicht, wie wir diesen Vogel einschätzen müssen. Oder vielleicht doch?

Vielleicht ist es gerade diese „Grauzone“, die Raben und Krähen so interessant für uns machen.



Weiterführende Informationen

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/intelligenz-kraehen-erkennen-versteckte-ursachen-a-856345.html


Quellen

Biedermann - Knaurs Lexikon der Symbole

Saal - Sagen aus der Region Merseburg

Mythen der Menschheit - Die Macht des Totems

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