Samstag, 16. November 2013

34. Beitrag - Das Problem der Heimatgeschichte

Seit Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 gewann ein neuer Aspekt der Geschichtsforschung an Bedeutung: Die Heimatgeschichte. Waren es zuvor hauptsächlich Juristen, die sich mit der Geschichtsschreibung beschäftigten, wurde der Kreis der Forscher erheblich größer. Allem voran schritten Lehrer und Pfarrer, die sich nun aufmachten, die eigene Heimat einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Aber warum eigentlich?

Die Antwort ist nicht kompliziert, nur sehr vielfältig. Beginnen wir mit der einfachen Frage: 

Wer sind wir?

Sie denken sicherlich: Na die Deutschen! Und schon haben wir uns eine Identität gegeben. Doch das "Deutschtum" ist eine lose Konstruktion der aufkommenden Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts. Preußen, Bayern, Sachsen, Schwaben... Diese Aufzählung könnten wir nahezu endlos erweitern. Und doch wurden wir 1871 alle zusammengefasst in einer Nation. Die Heimatforschung machte es sich zur Aufgabe, alle losen Enden dieser Völkerschaften miteinander zu verknüpfen,  so dass der Prototyp des "Deutschen" gebildet werden sollte. Doch bleiben noch andere Identifikationsmöglichkeiten übrig. Die Römer bezeichneten uns als Kelten oder Germanen, allerdings gab es nie ein gemeinsames Volk. Stämme verschiedener Personengruppen, mal größer, mal kleiner. Immer dann, wenn eine Gemeinschaft gestärkt werden sollte und man nach einer gemeinsamen Identität suchte, bot es sich an einen äußeren Feind zu erschaffen. Es war eine gute Möglichkeit um innere Differenzen zu überbrücken, allerdings auch sehr kurzsichtig.

Heimatforschung muss man also stets im Kontext der Zeit und des Hintergrundes des Forschers sehen. Ein katholischer Pfarrer schrieb anders als ein Nationalist. Die politischen Gegensätze waren es, die den Konflikt in der Identitätsfrage verschärften. Sei es Ostpreußen oder Elsass-Lothringen, beide Gebiete rufen heftige Debatten hervor. Auch werden Rufe nach Rückforderungen oftmals noch immer laut. Zum Glück sind diese Stimmen in der Minderheit. Denn wozu solch Undurchdachtes führt,  lehrt uns am besten die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Flucht, Vertreibung, Eroberung, Völkermord,  Krieg, seit Mitte 1945 leben wir in Zentraleuropa in Frieden. Dieser musste erst sehr teuer erkauft werden, von allen Europäern. Das dürfen wir bei der Lektüre der Vergangenheit nie vergessen. Doch auch diese extremen politischen Einfärbungen geben uns ein Bild über den Zeitgeist. Wenn man zwischen den Zeilen liest und etwas Fantasie aufweist, ist es möglich die Einstellung des jeweiligen Autors zu seiner Umgebung herauszufiltern.

Im Grunde genommen haben wir alle einen Punkt der uns zusammenführt: Wir sind alle Menschen die von anderen Menschen abstammen und die irgendwann einmal ein Einzeller in der Ursuppe waren. Sprechen wir von dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik, so waren wir schon immer eine multikulturelle Gesellschaft. Und all diese kleinen Eigenheiten, die unsere Gesellschaft ausmachen sind doch erst die Würze, die unser Leben interessant macht. Eine Kultur, die über alle anderen dominieren würde, wäre auf Dauer sehr langweilig.

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