Samstag, 19. April 2014

57. Beitrag - So Gott will

Die Geschichte von Krankheit und Heilung ist, nun man könnte sagen, sehr zwiespältig. Ursprünglich fassten die Menschen Krankheiten als göttergegeben auf. Doch was heißt schon ursprünglich? Wir haben keine schriftlichen Zeugnisse über die Grundsatzfragen von Krankheiten zu Beginn der Menschheitsgeschichte. Mit dem Einsetzen der Schrift wurden früheste Methoden für uns greifbar.  Die ersten für uns Europäer wichtigen Schriften entstammen der griechischen Antike. So wissen wir, dass die Menschen Krankheiten auf die Launen der Götter zurückzuführen versuchten. Man war noch weit von den Erkenntnissen der Mikrobiologie entfernt. Krankheiten waren etwas unnatürliches. Oft brachen sie über einen herein und es gab nichts, was man gegen sie unternehmen konnte. Das größte Problem dabei war, dass die Menschen die Krankheiten nicht verstanden. Wir müssen uns einfach anschauen, wie Tiere sich verhalten, wenn es ihnen schlecht geht. Sie verstehen in diesem Fall ihren Zustand nicht wirklich.

Doch wie kam man davon ab? Es war das Alte Griechenland, in dem der Fortschritt seinen Lauf nahm. Sie waren zwar nicht die älteste europäische Hochkultur, aber ihr Wissensdrang war enorm. Alles begann auf der Insel Kos mit verschiedenen Ärztefamilien, den Namen der berühmtesten kennen wir noch heute: Hippokrates. Dabei handelte es sich keineswegs um nur eine Person, sondern um mehrere Generationen des gleichen Namens. Auf Kos etablierten sich neben ihnen noch weitere Familien des gleichen Berufsstandes. Den Namen Hippokrates kennen wir deshalb so genau, weil er als Begründer der Lehre von Diagnose und wissenschaftlichem Ansatz gilt. Die wichtigste Erkenntnis dieser frühen medizinischen Forschung war, dass die Götter einen nicht straften. Man war gewissermaßen unschuldig an seinem Zustand. Immerhin der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung. Doch der Weg bis zur heutigen Schulmedizin war noch weit entfernt.

Als die Römer die Vorherrschaft im Mittelmeerraum antraten, sollte man meinen, dass die Medizin einen neuen Höhepunkt erreichen sollte. Weit gefehlt, denn Krankheiten zeigte man nicht in Rom. Warum eigentlich? Vielleicht konnten wahre Römer nicht krank werden, stammten sie doch von den Göttern ab. Es war eine schöne Vorstellung, doch Viren und Bakterien scherten sich nicht darum. Erst unter Julius Caesar änderte sich dieser Zustand, indem er ausländischen Ärzten,  die sich in Rom niederließen, dass römische Bürgerrecht verlieh. Doch dauerte es noch einmal fast 200 Jahre, bis sich der Berufsstand des Arztes vollends etablieren konnte. Zu verdanken war es unter anderem dem Fachwissen und der Redekunst des Galen von Pergamon. Er war es auch, der der Medizin eine neue Erkenntnis beisteuerte: Körper und Seele bilden eine Einheit und beides muss behandelt werden! Sein Werk und die Schule des Hippokrates bildeten die Grundlage der mittelalterlichen Medizin.

Das Mittelalter stellen wir uns gern dreckig vor. Heerscharen ungewaschener, verlauster und mit anderen Parasiten verpesteter, dummer Menschen. Im Prinzip passt dieses Bild. Und es ist grundsätzlich falsch. Nördlich der Alpen, auf dem heutigen Gebiet der Bundesrepublik trafen mehrere medizinische Strömungen zusammen. Antikes Wissen, Klosterheilkunde, orientalische Medizin, die jüdische Fachkenntnis der Hygiene und und und. Hinzu kommen verschiedene Volksweisheiten von germanischen und slavischen Stämmen. Doch auch der Gottesglaube spielte eine große Rolle, vielleicht sogar die Hauptrolle. Heilige, deren Körperteile, Kleidung oder Accessoires sollten eine heilsame Wirkung besitzen, man musste nur etwas von ihnen berühren. Prävention zu betreiben hat seinen Ursprung übrigens ebenso in dieser Zeit, wer nicht krank werden wollte, sollte sein Leben nach göttlich gebotener Vorstellung führen. Zur Unterstützung der Heilung vertraute man zudem auf verschiedene Kräuter und Mixturen. Selbst Kannibalismus war nicht unüblich,  immerhin gehörten Mumien zum Repertoire der Apotheker. Medizin war, genauer betrachtet, zum Glücksspiel geworden. Es gab keine Gewährleistung auf Heilung, sondern nur die allumfassende Weisheit: So Gott will.

Dieser Beitrag war natürlich nur ein kleiner Teil der Geschichte der Krankheit. Was heute zu kurz gekommen ist, wird an anderer Stelle noch ausführlicher behandelt werden. All die menschlichen Vorstellungen zusammen zu führen ist mühsam, aber spannend.

Quelle und sehr zu empfehlen:

Zeitschrift Karfunkel Codex Nr. 11, 2013 - Von Aderlass bis Zipperlein

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen